Einmal Hochzeit und zurück
aufrichtig Leid. Mum, ehrlich. Ich war bloß bei einer Freundin. Ich musste nur mal raus hier.«
Meine Mutter guckte mich nicht mal an. Das erinnerte mich schon viel mehr an die Mutter, die ich in meinem ersten Leben gehabt hatte.
»Wir haben uns über dich unterhalten«, erklärte mein Dad, was mich nicht weiter überraschte, Eltern tun nämlich selten etwas anderes. »Und wir haben beschlossen ... na ja, ich glaube, wir sollten mal öfter was zusammen unternehmen, so als Familie.«
Der verdammte Heuchler! Diese Familie sollte ein bisschen weniger Sekretärinnen knallen, Ende der Debatte.
»Und deshalb, ähm, müssen wir uns alle ein bisschen mehr Mühe geben. Ich werde versuchen, früher nach Hause zu kommen.«
Oho, gut.
»Und wir werden versuchen, öfter mal was gemeinsam zu unternehmen.«
Oho, nicht so gut.
»Flora Jane, ich möchte, dass du dir in Zukunft ein bisschen mehr Mühe gibst, und ich möchte nicht, dass du dich zu jeder Tages- und Nachtzeit irgendwo herumtreibst.«
Was blieb mir denn noch, außer mich ständig herumzutreiben und zu versuchen, dabei ein klein bisschen Spaß zu haben? Und wenn Clelland mit seiner Zeitschleifen-Theorie Recht hatte, würde ich ziemlich viele Dinge in eine ziemlich kurze Zeit quetschen müssen.
»Und wir werden deiner Mutter alle ein bisschen mehr unter die Arme greifen. Okay. Ende der Ansprache.«
»Was würdest du tun«, fragte ich und versuchte, ganz munter und unbekümmert zu klingen, während Stanzi und ich uns in Miss Syzlacks Stunde unter der Schulbank klammheimlich ein Twix teilten, »wenn du wüsstest, dass du am Samstag in drei Wochen verschwinden oder, ähm, sterben wirst?«
Ich hatte viel darüber nachgedacht, was Clelland gesagt hatte: Die Vorstellung, entweder mir selbst über den Weg zu laufen oder mich spontan selbst zu entzünden, hatte eine seltsam unrealistische Note. Ehrlich gesagt fand ich es wesentlich deprimierender, meinem 32-jährigen Ich gegenüberzutreten, als einfach aufzuhören zu existieren oder sogar das ganze Universum in einer Art Antimaterien-Unfall zu zerstören.
»Ich würde nur noch Plätzchen essen und mich Ethan anbieten«, flüsterte Stanzi.
»Guter Tipp«, sagte ich. »Vielen Dank.«
»Warum? Was ist denn los mit dir?«
»Habt ihr beiden irgendwas zu sagen, das wichtiger wäre als Middlemarch ?«, erkundigte sich Miss Syzlack.
»Flora glaubt, dass sie bald sterben muss, Miss«, erklärte Stanzi in ihrer gewohnt hilfreichen Art.
In typischer mitfühlender Schülermanier bepisste sich der Rest der Klasse beinahe vor Lachen.
»Sterben, woran denn?«, fragte Miss Syzlack. »Zu viel Gequassel oder zu viel Nachsitzen?«
»Entschuldigen Sie bitte«, sagte ich. »Ich habe nur ein bisschen spekuliert. Wie, ähm ...« Es war Jahre her, seit ich Middlemarch gelesen hatte. »... diese Figur, die keinen Sex haben kann, Ma‘am.«
»Das reicht jetzt«, unterbrach mich Miss Syzlack, zart errötend.
»Na ja, stimmt aber doch«, schmollte ich.
»Und so reden wir in dieser Klasse auch nicht über Literatur.«
»Wie, so? So wahr?«, murmelte ich leise.
»Flora Scurrison, wenn ich möchte, dass du mir freche Antworten gibst, dann werde ich dich danach fragen.«
»Wow, Flora wechselt auf die dunkle Seite!«, ertönte eine Stimme, die ich als die von Fallon identifizierte, aus einer der hinteren Reihen.
»Augen auf das Buch. Das gilt für alle.«
»Was - Fallon darf mich ungestraft aufziehen, das ist völlig okay, aber ich sage einen wahren Satz über ein Buch und kriege gleich handfesten Ärger?«
»Lass es gut sein«, erwiderte Miss Syzlack. »Bitte, lass es gut sein«, und ich sah ihr ins Gesicht. Es wirkte müde, matt, erschöpft von zu vielen Schülern, die einfach nicht lernen wollen. Sie war so tapfer, wirklich, das war sie. Und sie tat mir so Leid. Die Erwachsenen taten mir Leid. Als Teenie würde man nie im Leben glauben, dass man es als Erwachsener schwerer haben konnte, aber es gab Zeiten, in denen hatte man es verdammt viel schwerer.
»Ich muss in der Mittagspause mal schnell abhauen«, sagte ich. »Und es könnte etwas länger dauern. Ich habe anschließend ein bisschen frei und noch was in der Stadt zu erledigen.«
»Dich umbringen«, sagte Stanzi sofort. »Nein!«
»Nein«, widersprach ich. »Ich will was aushecken.«
»Kann ich mitkommen?«
Mal sehen. Ich konnte eine Komplizin brauchen.
»Okay, einverstanden.«
»Hurra!«, jubelte Stanzi. »Das ist fast so gut, wie zu Justins Party eingeladen zu
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