Einmal ist keinmal
Pleite gewesen. Ich hatte meinen ersten Kautionsflüchtling zur Strecke gebracht. Jetzt war ich ein echter Profi. Am nächsten Morgen wollte ich als erstes zu Vinnie fahren, um meine Prämie zu kassieren. Ich seifte mich ein und brauste mich ab. Ich wusch mir die Haare. Ich stellte auf Duschmassage um und blieb so lange unter dem Strahl stehen, bis die Spannung aus meinem Körper gewichen war. Joe hatte Mooch nun schon zum zweitenmal als Botenjungen benutzt. Vielleicht sollte ich Mooch überwachen. Das Problem war nur, daß ich nicht alle gleichzeitig beobachten konnte.
Plötzlich bemerkte ich einen Schatten auf der anderen Seite des durchscheinenden, seifen verschmierten Duschvorhangs. Der Schatten bewegte sich. Mir blieb fast das Herz stehen.
Jemand war in meinem Badezimmer. Sekundenlang stand ich stocksteif da, ohne einen klaren Gedanken fassen zu können. Dann fiel mir Ramirez ein, und mein Magen drehte sich um. Bestimmt war es Ramirez, der zurückgekommen war. Er hatte sich vom Hausmeister einen Schlüssel geben lassen oder war durch ein Fenster eingestiegen. Nicht auszudenken, wozu Ramirez imstande war.
Ich hatte zwar meine Tasche mit ins Badezimmer genommen, aber nicht mit unter die Dusche.
Schon hatte der Eindringling das Badezimmer mit zwei Schritten durchquert. Er riß den Duschvorhang so heftig auseinander, daß die Plastikringe absprangen und klappernd auf den Boden fielen. Ich schrie und warf, ohne zu zielen, mit der Shampooflasche, dann wich ich zurück und drückte mich mit dem Rücken an die Kacheln.
Es war nicht Ramirenz. Es war Joe Morelli. Mit der einen Hand krallte er sich in den Duschvorhang, die andere hatte er zur Faust geballt. Auf seiner Stirn, wo ich ihn mit der Flasche getroffen hatte, bildete sich eine Beule. Er war außer sich vor Wut, und ich war mir nicht sicher, ob mich die Tatsache, daß ich eine Frau war, vor einer gebrochenen Nase bewahren würde. Aber mir sollte es recht sein. Ich brannte auf einen Kampf. Was bildete dieser Dackel sich eigentlich ein, mich halb zu Tode zu erschrecken und auch noch meinen Duschvorhang kaputtzumachen?
»Was bildest du dir eigentlich ein?« schrie ich. »Hast du noch nie was von einer Klingel gehört? Wie bist du hier reingekommen?«
»Dein Schlafzimmerfenster war offen.«
»Das Fliegenfenster war zu.«
»Fliegenfenster zählen nicht.«
»Wenn du das auch noch kaputtgemacht hast, mußt du es bezahlen. Und was ist mit dem Duschvorhang? Duschvorhänge wachsen auch nicht auf Bäumen.« Ich schrie nicht mehr ganz so laut, aber dafür immer noch eine Oktave höher als normal. Ehrlich gesagt, hatte ich keine Ahnung, was ich überhaupt schrie. Ich war völlig durcheinander vor Wut und Angst. Ich war wütend, weil er meine Privatsphäre verletzt hatte, und ich hatte Angst, weil ich nackt war.
Bei den passenden Gelegenheiten ist Nacktheit etwas Feines – beim Duschen, beim Sex, bei der Geburt. Aber nackt und tropfnaß vor Joe Morelli zu stehen, der vollkommen angezogen war, das war der Stoff, aus dem die Alpträume sind.
Ich drehte das Wasser ab und wollte mir ein Handtuch schnappen, aber Morelli gab mir einen Klaps auf die Finger und warf das Tuch hinter sich auf den Boden. »Gib mir das Handtuch«, befahl ich. »Erst, wenn wir ein paar Dinge geregelt haben.« Als Junge war Morelli unberechenbar gewesen. Als Erwachsener schien seine Unberechenbarkeit in Schüben zu kommen. Sein italienisches Temperament glühte in seinen Augen, aber es war wohldosiert. Er trug ein regennasses schwarzes T-Shirt und Jeans. Als er sich zum Handtuchhalter drehte, sah ich, daß er hinten eine Waffe im Hosenbund stecken hatte.
Es war nicht schwer zu glauben, daß Morelli einen Menschen töten könnte, aber ich mußte Ranger und Eddie Gazarra recht geben. Es erschien mir nahezu ausgeschlossen, daß dieser erwachsene Morelli dumm und impulsiv handeln würde.
Er hatte die Hände in die Hüften gestemmt. Seine nassen Haare lockten sich in seiner Stirn und über seinen Augen. Er hatte einen harten, ernsten Zug um den Mund. »Wo ist die Verteilerkappe?«
Angriff ist die beste Verteidigung. »Wenn du nicht in einer Sekunde aus meinem Badezimmer verschwunden bist, fange ich an zu schreien.«
»Es ist zwei Uhr morgens, Stephanie. Deine Nachbarn schlafen tief und fest, und ihre Hörgeräte liegen auf dem Nachttischchen. Schrei ruhig. Es hört dich sowieso keiner.«
Ich funkelte ihn böse an. Mehr konnte ich nicht tun, um mich gegen ihn zu behaupten. Auf keinen Fall würde
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