Einmal ist keinmal
Wagen besorgt haben. Vorsichtshalber behielt ich den Rückspiegel im Auge. Ich war mir sicher, daß Morelli hier irgendwo auf mich lauerte, aber immerhin erwies er mir die Höflichkeit, sich vor mir in acht zu nehmen. Was bedeutete, daß er mich einigermaßen ernst nahm. Bei diesem aufmunternden Gedanken legte ich mir sogleich einen neuen Schlachtplan zurecht. Er sah ganz einfach aus. Ich brauchte nur nach Hause zu fahren, den Cherokee auf dem Parkplatz abzustellen, mich mit meinem Killergas im Gebüsch auf die Lauer zu legen und Morellli zu betäuben, wenn er versuchte, seinen Wagen zu stehlen.
6
Die Vorderfront des Hauses, in dem ich wohnte, reichte bis an den Bürgersteig. Parken konnte man auf der Rückseite. Der Platz war alles andere als malerisch, ein asphaltiertes Rechteck, das in Parkbuchten aufgeteilt war. So vornehm, daß jeder Mieter einen eigenen markierten Abstellplatz gehabt hätte, waren wir nicht. Beim Parken herrschte das Gesetz des Stärkeren, und die besten Plätze waren für Behinderte reserviert. Am Tor standen drei große Müllcontainer, einer für den Hausmüll, zwei für recyclingfähige Wertstoffe. Gut für die Umwelt, weniger gut für die Ästhetik. Fast über die gesamte Länge des Parkplatzes zog sich dicht an der Hauswand ein Streifen wuchernder Azaleen hin. Im Frühling, wenn die Pflanzen über und über mit rosa Blüten bedeckt waren, sahen sie herrlich aus, und im Winter, wenn der Hausmeister blinkende Lichterketten hineinhängte, war der Anblick geradezu zauberhaft. Den Rest des Jahres waren sie immerhin besser als gar nichts.
Ich suchte mir einen gutbeleuchteten Platz in der Mitte des Platzes aus. So konnte ich Morelli wenigstens kommen sehen, wenn er sich sein Eigentum zurückholen wollte. Außerdem war ohnehin kaum noch etwas frei. Die meisten Hausbewohner waren nicht mehr die Jüngsten, sie fuhren nicht gern im Dunkeln. Spätestens um neun Uhr war der Parkplatz meistens voll, und in den Wohnungen der Senioren dröhnten die Fernsehapparate.
Ich vergewisserte mich gründlich, daß Morelli noch nicht aufgekreuzt war. Dann machte ich die Motorhaube auf und entfernte die Verteilerkappe. Das war einer meiner vielen für New Jersey unerläßlichen Überlebenstricks. Jeder, der seinen Wagen schon einmal für längere Zeit am Flughafen von Newark abstellen mußte, weiß, wie man eine Verteilerkappe herausnimmt. Es ist die einzig wirksame Methode sicherzustellen, daß der Wagen bei der Rückkehr noch da ist.
Mein Plan sah folgendermaßen aus. Wenn der Cherokee nicht ansprang, würde Morelli den Kopf unter die Haube stecken, und ich konnte Ihn mit dem Spray attackieren. Ich versteckte mich hinter den Azaleen und war richtig stolz auf mich.
Um meinen Rock zu schonen, hockte ich mich auf eine Zeitung. Am liebsten hätte ich mich umgezogen, aber ich hatte Angst, Morelli zu verpassen, wenn ich schnell nach oben lief. Vor den Azaleen waren Holzspäne verstreut worden. Hinter ihnen, wo ich saß, bestand der Boden nur aus festgestampftem Lehm. Wäre ich ein Kind gewesen, hätte ich mein Versteck bestimmt gemütlich gefunden, aber ich war keines mehr, und mir fielen Dinge auf, die ein Kind nie bemerkt hätte. Vor allem, daß Azaleen von hinten alles andere als gut aussahen.
Ein großer Chrysler fuhr auf den Parkplatz, aus dem ein weißhaariger Mann ausstieg. Ich kannte ihn, auch wenn ich seinen Namen nicht wußte. Er kam langsam auf das Haus zu. Da er sich nicht zu fürchten schien und auch nicht losbrüllte: »Hilfe, da sitzt eine Irre in den Büschen«, war ich mir ziemlich sicher, daß ich gut versteckt war.
Ich warf einen Blick auf meine Uhr. Viertel vor zehn. Warten gehörte nicht zu meinen liebsten Freizeitbeschäftigungen. Ich hatte Hunger, ich langweilte mich, und es war mir unbequem. Wahrscheinlich gibt es Menschen, die eine längere Wartezeit sinnvoll nutzen, indem sie Ordnung in ihre Gedanken bringen, eine Liste mit Hausarbeiten aufstellen oder Nabelschau betreiben. Für mich ist Warten eine Qual. Ein schwarzes Loch. Verlorene Zeit.
Um elf Uhr wartete ich immer noch. Ich war schlecht gelaunt, und ich mußte aufs Klo. Irgendwie schaffte ich es, noch anderthalb Stunden länger auszuhalten. Ich überlegte mir gerade, ob ich meinen Plan vielleicht ändern sollte, als es anfing zu regnen. Dicke, schwere Tropfen fielen wie in Zeitlupe vom Himmel, zersprangen auf den Azaleen und spritzten von dem festgestampften Lehm hoch, auf dem ich hockte. Ein muffiger Geruch nach Spinnenweben und
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