Einmal ist keinmal
Besonderheiten an meinen Mitbewohnern aufgefallen. Wenn es ums Parken ging, konnten sie gemeingefährlich werden, und sie hatten eine Vorliebe für Notfälle, die ans Krankhafte grenzte. Beim ersten Anzeichen eines blinkenden Blaulichts standen sämtliche alten Herrschaften aus meinem Haus am Fenster und drückten sich die Nasen platt.
Außerdem konnte ich durchaus darauf verzichten, von fünf oder sechs der tüchtigsten Söhne der Stadt lüstern angeglotzt zu werden, während ich an meine Duschvorhangstange gefesselt war.
Wenn ich meine Mutter anrief, konnte ich auch gleich diesen Staat verlassen. Sie würde es mir immer wieder aufs Butterbrot schmieren. Außerdem würde sie mir meinen Vater schicken, und dann würde er mich nackt sehen. Ich konnte mir nicht vorstellen, daß ich nackt und in Handschellen vor meinem Vater stand.
Wenn ich meine Schwester anrief, würde sie meine Mutter anrufen.
Ich wäre lieber an der Vorhangstange hängen geblieben und vermodert, bevor ich meinen Exmann anrief.
Um die Sache noch komplizierter zu machen, würde mein Retter, um wen es sich dabei auch immer handeln würde, entweder die Feuerleiter hochklettern oder meine Wohnungstür aufbrechen müssen. Dazu fiel mir nur ein einziger Name ein. Ich kniff die Augen zusammen. »Scheiße;« Ich würde Ranger anrufen müssen. Nachdem ich ein paarmal tief durchgeatmet hatte, wählte ich seine Nummer. Ich konnte nur hoffen, daß ich sie mir richtig gemerkt hatte.
Nach dem ersten Läuten nahm er ab. »Yo.«
»Ranger?«
»Wer will das wissen?«
»Stephanie Plum. Ich habe ein Problem.«
Zwei Herzschläge lang blieb alles still. Ich sah direkt vor mir, wie er mit einem Schlag hellwach war und sich im Bett aufsetzte. »Was für ein Problem?«
Ich verdrehte die Augen. Ich konnte selbst kaum glauben, daß ich dieses Gespräch führte. »Ich bin mit Handschellen an meine Duschvorhangstange gefesselt, und ich brauche jemanden, der mich befreit.«
Wieder eine kurze Pause, dann hatte er aufgelegt.
Ich drückte die Wahlwiederholungstaste.
»Yo!« sagte Ranger, und er klang ziemlich sauer.
»Nicht auflegen! Die Sache ist ernst, verdammt noch mal. Ich bin in meinem Badezimmer gefangen. Meine Wohnungstür ist abgeschlossen, und niemand sonst hat einen Schlüssel.«
»Warum rufst du nicht die Bullen an? Die spielen doch so gern den Retter in der Not.«
»Weil ich den Bullen keine Erklärung geben möchte. Außerdem bin ich nackt.«
»Ha, ha, ha.«
»Es ist nicht witzig. Morelli ist bei mir eingebrochen, als ich in der Dusche war, und der Mistkerl hat mich an die Vorhangstange gefesselt.«
»Der Mann hat Einfälle.«
»Hilfst du mir jetzt oder nicht?«
»Wo wohnst du?«
»St. James Ecke Dunworth. Apartment zweihundertfünfzehn. Es liegt nach hinten raus. Morelli ist über die Feuerleiter eingestiegen. So kannst du auch reinkommen.«
Ich konnte es Morelli nicht einmal verdenken, daß er mich an die Vorhangstange gekettet hatte. Schließlich hatte ich gewissermaßen seinen Wagen gestohlen. Und ich konnte auch verstehen, daß er mich nicht im Weg haben wollte, während er meine Wohnung durchsuchte. Ich hätte ihm sogar verzeihen können, daß er in einem Wutanfall meinen Duschvorhang heruntergerissen hatte, aber als er mich nackt und gefesselt zurückließ, war er zu weit gegangen, hatte er sich getäuscht. Im Gegenteil, ich betrachtete dieses kindische Spiel inzwischen als Herausforderung, vor der ich nicht kneifen würde.
Ich würde Morelli zur Strecke bringen, und wenn es das letzte war, was ich tat.
Es kam mir so vor, als stünde ich schon Stunden in der Dusche, als ich endlich hörte, wie die Wohnungstür auf- und wieder zuging. Der Wasserdampf hatte sich längst aufgelöst, und es war kalt geworden. Meine Hand war vom Hochhalten eingeschlafen. Ich war müde und hungrig. Außerdem kündigten sich Kopfschmerzen an.
Als Ranger in der Badezimmertür erschien, war ich viel zu erleichtert, um verlegen zu sein. »Ich bin dir sehr dankbar, daß du mitten in der Nacht gekommen bist«, sagte ich.
Ranger lächelte. »Dich nackt und gefesselt zu sehen, konnte ich mir doch nicht entgehen lassen.«
»Die Schlüssel liegen bei den anderen Sachen auf dem Fußboden.«
Er fand sie, nahm mir das Telefon aus den tauben Fingern und schloß die Handschelle auf. »Spielt sich zwischen dir und Morelli vielleicht irgendwas Abartiges ab?«
»Weißt du noch, daß du mir heute nachmittag seine Schlüssel gegeben hast?«
»Hm.«
»Ich habe mir
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