Wie nicht anders zu erwarten, wollte Ayesha mir nach diesem Vorfall die Kinder nicht geben, und dann fing das Arschloch auch noch damit an, dass sein Bruder irgendein superwichtiger Anwalt ist und dass er eine Sperrauflage gegen mich erwirken wird oder wie das heißt, und dass er mich verklagt wegen Körperverletzung, was kein Problem sein dürfte, weil er ja Zeugen hat. Dann darf ich nicht mehr in mein eigenes Haus, Fiona! Also, ich bin echt am Ende mit meinem Latein und überhaupt. Dabei hab ich gedacht, schlimmer könnte es nicht mehr werden.«
»Ach Tim, das ist wirklich furchtbar«, sagt Fiona mitfühlend. »Ich weiß gar nicht, was ich dazu sagen soll.«
»Ich möchte meine Familie wiederhaben, das ist alles, was ich mir wünsche. Aber ich schaff das nicht alleine. Bitte hilf mir, Fiona, bitte. Ich weiß, es ist schwer zu glauben, und ich weiß, dass ich vielleicht auch nicht grade der Ehemann des Jahres war, aber trotz allem liebe ich Ayesha mehr, als ich sagen kann. Sie ist meine Seelenpartnerin, und es tut mir nur leid, dass erst dieser ganze Wahnsinn passieren musste, um das endlich zu kapieren.«
Er verstummt, trinkt einen Schluck Kaffee, verbrüht sich den Mund, flucht, stellt den Becher wieder auf den Tisch. Fiona mustert ihn mit einem Gesichtsausdruck, den ich nicht entschlüsseln kann. Aber eins ist sicher: Was sie da hört, gefällt ihr auch nicht besser als mir.
»Es tut so gut, eine freundschaftliche Schulter zum Ausweinen zu haben,«, sagt Tim.
»Eine freundschaftliche Schulter«, wiederholt Fiona tonlos.
Aber es ist, als würde er sie gar nicht hören. »Also, ich glaube, am besten gehen wir folgendermaßen vor«, überlegt er laut. »Erst mal brauche ich ein bisschen Zeit, aber wenn ich mich etwas beruhigt habe und wenn Ayesha bereit ist, mich wiederzusehen, dann muss ich versuchen, allein mit ihr zu reden. Und dann flehe ich sie auf Knien an, dass sie zu mir zurückkommt. Ganz egal, was sie von mir verlangt, ich tu’s, wenn ich damit nur erreiche, dass dieser verdammte Rick verschwindet und ich meine Familie wiederkriege. Ich hab keinen Stolz mehr, Fiona, und selbst das ist mir inzwischen egal. Du bist der einzige Mensch, den ich um Hilfe bitten kann, was ich hiermit tue – um der alten Zeiten willen. Hilfst du mir, Fiona? Hilfst du mir, meine Frau zurückzubekommen?«
So reden sie noch eine Weile weiter, oder genauer, Tim redet weiter, und Fiona hört ihm zu. Schweigend, mit neutralem Gesicht.
Nach einer Weile entschuldigt sie sich und sagt, sie muss mal kurz nach oben und sich was anziehen. Aber auf dem Weg macht sie kurz bei ihrem Computer halt, wo die Mail von dem Tierarztmenschen noch unbeantwortet auf dem Bildschirm flackert.
Leise klickt sie auf den Antwort-Button.
Von:
[email protected] An:
[email protected] AW : Morgen … Sonntag?
Hallo du.
Gut, dann sind wir für das Fest verabredet.
Und ich heiße übrigens in Wirklichkeit Fiona.
Kapitel 21
James
Alles läuft schief. Wirklich alles. Kate und Paul streiten sich bis aufs Blut, und auch Fiona und Tim, auf die ich so große Hoffnungen gesetzt habe, sind ein absolutes Desaster, denn Tim lebt nur für Ayesha und hat keinen anderen Gedanken im Kopf, als wie er sie zurückkriegen kann.
Und mich plagt das schlechte Gewissen. Alles ist meine Schuld. Ich meine, ich bin diejenige, die Fiona wieder mit Tim in Kontakt gebracht hat, und was ist daraus geworden? Ziemlich verzweifelt überlasse ich die beiden ihrem Schicksal und gehe nach Hause. Sorry, ich meine natürlich, ich gehe zu James. Ich weiß nicht genau, was mich dahin zieht – vielleicht ist es die Schadenfreude darüber, dass es ihm so schlechtgeht.
Schon bin ich in unserem, sorry, seinem Wohnzimmer und … oh, Herr des Himmels! Kreisch-Sophie ist auch da, und sie ist ordentlich am Kreischen. Schon wieder Streit. Lieber Gott, hört das irgendwann mal wieder auf? Alle sind unglücklich, alle leiden. Und ich kann nur hilflos zusehen. Allmählich komme ich zu der Überzeugung, dass das Engel-Sein auch kein Sonntagsspaziergang ist. Im Gegenteil.
»Das war’s dann also?«, kreischt Sophie gerade. »Sonst hast du mir nichts zu sagen?« Erst in diesem Moment bemerke ich die beiden Koffer, die ordentlich gepackt nebeneinander auf dem Boden stehen.
James liegt auf dem Sofa und sieht aus wie der leibhaftige Tod. Zerwühlte Haare, immer noch die gleichen Klamotten wie das letzte Mal, als ich ihn gesehen habe – wahrscheinlich hat er sich seither auch