Einmal Paradies und zurück
Ohren. Der arme Declan starrt immer noch ins Leere und fummelt so heftig an seinem Ohrstecker herum, als wollte er ihn rausreißen, ehe er sich auf den Weg nach Hause macht, wo seine Mummy bestimmt schon mit dem liebevoll zubereiteten Essen wartet. Nach einem langen, langen Schweigen sagt er einfach nur, dass sie morgen ihr Bestes geben und sehen müssen, was dabei herauskommt.
»Und wenn das nicht funktioniert«, fügt er resigniert hinzu, »dann muss ich schauen, ob die BBC vielleicht daran interessiert ist, das Projekt in Koproduktion mit uns zu machen. Ist zwar unwahrscheinlich – der größte Teil des Spielfilm-Budgets ist um diese Zeit längst vergeben –, aber wir sollten es trotzdem versuchen.«
Normalerweise würde James bei dem Vorschlag, einen TV -Sender koproduzieren zu lassen, sofort an die Decke gehen, wobei sein Hauptargument wäre, dass die ihm sowieso nur seine »Vision« verpfuschen. Ehrlich. Zufällig kenne ich den wahren Grund, nämlich, dass er, falls die Sendung ein Hit wird, den Ruhm mit niemandem teilen will. Immer der Leadsänger, auf keinen Fall Background. Und dass James einfach nur nickt, zeigt auf geradezu beängstigende Weise, wie prekär die Lage der Firma ist.
In diesem Moment fange ich an, echtes Mitleid für die beiden Jungs zu empfinden. Der ganze Einsatz, die jahrelange Schufterei, Blut, Schweiß und Tränen. Neue Produktionen anleiern, Autoren finden, die endlose Bettelei bei den Investoren, bis sie das nötige Geld rausrücken und das Projekt grünes Licht bekommt. Und dann fängt die Arbeit eigentlich erst richtig an. Einen anständigen Regisseur anheuern (was schwieriger ist, als man denken sollte; James sagt immer, die meisten sind bloß Politessen für die Schauspieler und haben ansonsten keinen blassen Schimmer), ein Staraufgebot an Schauspielern und eine Produktionscrew suchen, die bereit ist, regelmäßig sechzehn Stunden am Tag zu arbeiten. Und das alles vor dem eigentlichen Dreh, ehe auch nur die erste Klappe gefallen ist.
Aber als ich merke, für wen ich tatsächlich das meiste Mitgefühl empfinde, staune ich nicht schlecht. Nach allem, was passiert ist, habe ich Mitleid mit James. Meridius Movies war von Anfang an sein Ding, sein kreatives Baby. Wenn dieser sagenhafte Investor morgen die Situation nicht auf wundersame Weise rettet und damit sozusagen ein Ende gut, alles gut herbeizaubert, dann … dann kann ich mir gar nicht vorstellen, was mein Exfreund mit dem Rest seines Lebens anfangen wird. Bei Declan bin ich sicher, dass er zurechtkommt, seine Aktien stehen gut, er könnte wahrscheinlich gleich morgen wieder in seinem alten Job anfangen. Aber James hat sich im Lauf der Zeit einige Feinde gemacht, und was seine Zukunftsaussichten angeht …
Nein, nein, nein, das ist der glatte Wahnsinn! Ich kann doch nicht zulassen, dass mir der Mann, der mein Leben ruiniert hat und indirekt für meinen Tod verantwortlich ist, auf einmal leidtut … NEIN !
Instinktiv ziehe ich meine Hand zurück, die direkt neben seiner auf dem Tisch gelegen hat. Ich weiß, dass er etwas spürt, denn er fröstelt und stopft beide Hände zum Wärmen unter die Achselhöhlen. Aber genau in diesem Moment kommt Sophie Kelly zur Tür hereingetänzelt. Na gut, das war’s dann mit dem kleinen Mitleidsanfall.
»Oh, HI !!«, kreischt Kreisch-Sophie in gespielter Überraschung – als hätte sie nie im Leben erwartet, ausgerechnet uns hier zu treffen.
Sorry, das muss natürlich heißen: als hätte sie nie im Leben erwartet, Declan und James hier zu treffen. Ich hab mich einfach immer noch nicht an meinen neuen Zustand gewöhnt.
»Äh … hallo«, sagt James, nachdem er sich gründlich an seinem Bier verschluckt hat. »Sophie, ja, hi. Schön, dich zu sehen. Erinnerst du dich noch an Declan?«
»Klar – hi, Declan!«, kreischt sie begeistert, streicht eins ihrer doofen kleinmädchenhaften Rattenschwänzchen zurück und drapiert sich so blöd auf meinen Hocker, dass ich ihren Hintern praktisch im Gesicht habe.
»Iiiieh, runter von mir«, rufe ich und springe auf. James zuckt zusammen, aber sonst scheint niemand etwas mitzukriegen. Kreisch-Sophie ist sowieso viel zu beschäftigt mit ihrem Auftritt. »O mein Gott, was für ein Zufall, dass ich euch hier begegne«, zetert sie und reißt die Augen auf. Mich führt sie mit ihrer Show nicht an der Nase herum.
»Ich glaube, wir haben uns bei irgendeiner Premiere kennengelernt – war es nicht
Neun Leben, und ich hab mich ausgerechnet für das
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