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Einmal Paradies und zurück

Einmal Paradies und zurück

Titel: Einmal Paradies und zurück Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Carroll
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werfe ich ein.
    Sie holt einen Kompaktpuder heraus und verteilt ihn reichlich, vor allem auf dem Dekolleté. Dann fängt sie an, eine Ansprache für ihr Date zu proben. Ehrlich, es kommt mir ein bisschen vor, als würde ich einer Schauspielerin vor einem wichtigen Auftritt zuschauen.
    »Hi, schön, dich zu treffen«, sagt sie, während sie die Schminke in ihre Tasche zurückwirft und ihre Stimme so verführerisch und sexy klingen lässt, dass man ihr nichts mehr von dem strengen Lehrerinnenton anhört, in dem sie »Ruhe da hinten!« brüllt. »Ich bin Lexie, dreiundzwanzig …« Abrupt bricht sie ab und kontrolliert sich noch mal im Spiegel, hält den Kopf schräg, damit sie im Licht die Krähenfüße besser erkennen kann. »Scheiße, nein, sagen wir lieber, ich bin fünfundzwanzig und arbeite bei Westwood als Fitnesstrainerin. Mein Lieblingskurs ist ›Bauch, Beine, Po‹ …«
    Ich weiß, dass sie mich nicht hört, also was soll’s – da kann ich wenigstens sagen, was ich will.
    »Schätzchen, das meine ich jetzt echt nicht böse, aber willst du eine potentielle Beziehung wirklich auf diese Art anfangen? Indem du das Blaue vom Himmel runterlügst?«
    Aber sie ist mir längst einen Schritt voraus.
    »… und ich unterrichte auch an einer normalen Schule. Aber nur Teilzeit.«
    Na gut, anscheinend macht sie so was nicht zum ersten Mal.
    »Mein Name ist Lexie, Lexie, Lexie, Lexie, Lexie«, wiederholt sie wie ein Mantra, springt schließlich aus dem Auto und knallt die Tür hinter sich zu. Das ist dann wohl die Metamorphose von Fiona Wilson, Gymnasiallehrerin, in Lexie Hart, Fachfrau für Bauch, Beine, Po. Erinnert mich ein bisschen daran, wie Clark Kent in der Telefonzelle rumwirbelt, ehe er sich in Superman verwandelt. Ein paar Schritte weiter jedoch vollführt sie auf ihren hohen Absätzen eine Pirouette, die eines Baryshnikovs würdig gewesen wäre, schlägt sich mit der Handfläche gegen die Stirn und eilt zurück zum Auto. Offensichtlich hat sie was vergessen. Tatsächlich holt sie ein Mundspray aus dem Handschuhfach und sprüht so viel davon in den Mund, dass mir der Pfefferminznebel fast den Atem verschlägt. Noch ein bisschen verstohlenes Wühlen auf dem Rücksitz, der vollgepackt ist mit Textbüchern und einem Stapel Aufsätze über Charles Dickens’ Weihnachtsgeschichte, dann zieht sie schließlich eine Drogerietüte unter ihrem Laptop hervor, der auf dem Boden steht, zerrt eine Kondompackung heraus, starrt sie an, hält inne, denkt nach … und stopft sie in ihre Handtasche.
    Ach du lieber Gott. Mein Plan war eigentlich, sie keinen Moment alleinzulassen, aber wenn sie mit dem Schäferhundfan ins Bett steigt, verkrümle ich mich. Ehrlich, man sollte glauben, dass man als Engel Scheuklappen oder eine Augenbinde mitgeliefert kriegt. Oder etwas, womit man das nicht jugendfreie Zeug zensieren kann. Unterdessen legt Fiona sich die Hand auf die Brust und rülpst so laut, dass es einen Maurer beim zweiten Frühstück stolz gemacht hätte, zupft sich die Unterhose zurecht, springt wieder aus dem Auto und knallt die Tür hinter sich zu.
    Was die Menschen alles tun, wenn sie glauben, dass keiner ihnen zusieht – ich warte darauf, dass endlich mal jemand ausgiebig in der Nase popelt. An diesen Aspekt meiner neuen Dimension werde ich mich garantiert nie gewöhnen.
     
    19  Uhr 55
    Typisch Fiona, sie kommt immer ein paar Minuten zu früh. Vielleicht weil sie es seit Jahren gewohnt ist, andere Menschen nachsitzen zu lassen und jeden Morgen der arme Teufel zu sein, der um neun Uhr früh die Schulglocke zum Bimmeln bringen muss. Jedenfalls marschiert sie ins Dunne & Crescenzi – ein tolles italienisches Restaurant mit der besten Weinkarte der ganzen Stadt – und lässt das Auge forschend über den Saal schweifen. Eine Schrecksekunde lang ruht ihr Blick auf einem älteren Herrn, der allein in der Ecke sitzt. Eigentlich gibt es an ihm nichts auszusetzen, nur dass er ungefähr fünfundsechzig ist, sein Bart Überlänge hat und in seine Spaghetti Bolognese hängt. Igitt. Aber genau in diesem Augenblick geht die Restauranttür auf, und eine silberhaarige Frau mit forschem Schritt und zwei Recyclingtaschen von Marks & Spencer an den Armen stürzt auf ihn zu, beschimpft ihn, weil er ohne sie angefangen hat, und sagt ihm dann etwas ruhiger, er soll ihr ein großes Glas von dem Hauswein bestellen.
    Puh.
     
    20  Uhr
    Okay. Jetzt sitzt Fiona an einem Zweiertisch, strategisch so positioniert, dass sie die Tür im Auge

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