Einmal Paradies und zurück
herumsitzen und sich über lauter unaussprechliche Dinge unterhalten. Stell dir vor, dein Vater kommt rein, und eine sagt gerade das F-Wort? Das wäre ihm schrecklich unangenehm, und ich könnte es ihm nicht zum Vorwurf machen.«
In diesem Moment geht die Tür auf, aber es nicht Dad, sondern Kate, das heißt eine jüngere Version von Kate, die gerade von einem ersten Date mit einem Kerl zurückkehrt, den sie auf dem College kennengelernt hat. Sie marschiert rein, lässt ihre Handtasche auf den Couchtisch fallen, schleudert ihre Pumps weiträumig in die Gegend und plumpst auf ihren Lieblingsplatz neben mir aufs Sofa. Alles ohne ein Wort und offensichtlich stinksauer. Mum und ich beobachten das Schauspiel, beide ganz erpicht auf die Geschichte, die dahintersteckt.
»Na, Liebes«, sagt Mum schließlich, nachdem sie eine ganze Weile vielsagende Blicke mit mir gewechselt hat. »Wie war es denn mit … äh … mit Luke? So hieß er doch, oder nicht?«
»Ich möchte nicht darüber reden.« Das ist Kates Standardantwort, wenn sie so wütend ist, dass sie sich nur mit Mühe zurückhalten kann, Gegenstände durch die Gegend zu werfen.
»Na dann …«, sagt Mum, und man sieht ihr an, dass sie vor Neugier beinahe platzt. »Angenommen, er ruft an, Liebes, was soll ich ihm dann sagen?«
»Dass ich ausgewandert bin.«
»Oh. Okay.«
»Angenommen, wir sagen ihm, du bist ausgewandert, und dann läuft er dir irgendwo zufällig über den Weg?«, frage ich ganz harmlos, aber mit einem verstohlenen Zwinkern in Mums Richtung. »Was dann?«
»Ihr zwei seid schlimmer als das FBI «, faucht Kate uns an, als ihr klar wird, dass wir sie keine Minute in Frieden lassen werden, bis sie mit allen Details der Geschichte rausrückt.
»Komm schon, Liebes, erzähl uns, was so schrecklich war«, drängelt Mum.
»Wenn ihr es unbedingt wissen müsst: Der Scheißkerl ist eine halbe Stunde zu spät gekommen, und dann hatte er angeblich kein Portemonnaie dabei und hat mich gefragt, ob ich ihm vielleicht sein Bier bezahlen kann. Außerdem hat er mir noch erklärt, dass ich sowieso nie einen tolleren Mann als ihn abkriegen werde, weil er nämlich Jura am Trinity College studiert und ich bloß einen Computerkurs mache. So eine Frechheit. Ach, und der Gipfel war, dass ich ihm zum Schluss auch noch fünf Pfund leihen sollte, weil er mit seinen Freunden, die aussehen wie Drogenabhängige, gern noch ein paar Runden Snooker spielen wollte. Allesamt blöde Loser. Also bin ich geradewegs wieder rausmarschiert und hab den nächsten Bus nach Hause genommen, um wenigstens rechtzeitig zu
Sex and the City
wieder da zu sein. Und warum läuft das jetzt nicht?«
In der Gegenwart wälzt Kate sich im Bett herum und wirft die Decke weg.
Also los, Zeit für Phase zwei.
Die gleiche Umgebung, einige Zeit später. Das gleiche Wohnzimmer, die gleiche Raufasertapete, nur hängen jetzt Fotos von Dad überall. Fiona sitzt mit mir und Mum auf dem Sofa, und wir starren gebannt auf den Fernseher, wo eine Folge von
Friends
läuft.
»Ach, die hab ich schon gesehen«, verkündet Mum und fährt gedankenlos fort: »Rachel fliegt zu Ross’ Hochzeit nach London, aber dann sagt er bei der Eheschließung aus Versehen ihren Namen statt den von Emily, und es gibt ein Mordstheater.«
»Psst, nicht alles verraten!«, rufen Fiona und ich wie aus einem Munde, als Kate hereinplatzt. Wieder kommt sie gerade von einem Date.
»Ah, da bist du ja, Liebes, wie ging es denn mit … äh … mit Simon … wie hieß er gleich? Walker, oder nicht?«
»Seid still, und keiner rührt sich, klar?«, faucht Kate, knipst alle Lichter aus und zieht die Vorhänge zu, als befänden wir uns in einem Hitchcock-Thriller.
»Was ist denn los, um Himmels willen?«, erkundige ich mich, denn ich befürchte, dass wir uns gleich auf den Boden werfen müssen. Aber Kate steht am Fenster, späht abwechselnd durch den Schlitz zwischen den Vorhängen und gestikuliert, wir sollen leise sein.
»Kate, sei ehrlich, ist dieser Simon vielleicht doch ein Drogenbaron?«, fragt Mum besorgt. Sie hat auf
Prime Time
eine Dokumentation über die Drogenszene gesehen, und jetzt ist ihre größte Angst, dass eine ihrer Töchter einen Verbrecherboss heiratet. »Dein armer Vater, Gott sei seiner Seele gnädig, würde sich im Grab umdrehen, wenn irgendein Idiot, den du in einer Bar kennenlernst, vor unserem Gartentor Heroin verkauft. Und wenn Nuala davon Wind kriegt, wird sie mir keine Ruhe mehr lassen.«
»Nein, er ist kein
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