Einmal Paradies und zurück
Dealer«, zischt Kate, späht aber weiter hektisch nach draußen. »Herrgott nochmal, könntet ihr bitte alle mal den Kopf einziehen?«
»Will uns jemand erschießen oder was?«, erkundigt sich Fiona etwas nervös. »Ich muss nämlich ganz dringend aufs Klo.«
»Nein, dieser Kerl ist bloß ein durchgedrehter Blödmann«, flüstert Kate. »Ich hab ihm gesagt, ich habe Asthma und …«
»… du hast deinen Inhalator vergessen …«, vollenden Mum und ich gleichzeitig den Satz. Das ist Kates narrensichere Standardausrede, wenn sie möglichst schnell aus einem unangenehmen Date rauswill.
»… aber dieser Spinner hat darauf bestanden, mich nach Hause zu bringen, also dachte ich mir, ich warte einfach, bis er wieder wegfährt, und geh dann zurück in die Stadt. Meine Clique ist im Café Seine. Aber seht euch den bekloppten Trottel an! Er hockt immer noch in seinem Auto und wartet. Ich meine, was hat er denn vor? Will er mich die ganze Nacht überwachen, damit ich bestimmt nicht noch mal rausgehe? Hab ich vielleicht ein Schild über dem Kopf, auf dem steht ›Kommt alle zu mir, ihr Zwangsneurotiker, ich hab euch lieb‹?«
»Was verstehst du unter Zwangsneurotiker?«, hakt Fiona interessiert nach.
»Ach weißt du, das sind Typen, die nach einem einzigen Date schon die ganze gemeinsame Zukunft planen. Er hat das Essen für mich bestellt und ist fast durchgedreht, weil ich auf dem Handy einen Anruf von jemandem aus meinem Kurs gekriegt habe. Und er hat mich zur Hochzeit seines Bruders eingeladen, in acht Monaten! Und jetzt campiert er vor meiner Haustür und überwacht mich. Ich sollte ihn Stalker Walker taufen.«
»Ich finde, das klingt vollkommen okay«, sagt Fiona, und wir starren sie alle erstaunt an. »Was habt ihr denn an einem Kerl auszusetzen, wenn er ein bisschen höflich ist?« Dazu muss ich vielleicht erklären, dass die Szene sich in der Zeit abspielt, als wir gerade aufs College gekommen sind, kurz bevor Fiona ihren Tim Keating kennenlernte.
»Fiona, der Knabe beschattet mich«, faucht Kate.
»Na, ich sag ja bloß. Wenn du kein Interesse an ihm hast, könntest du ja für mich was mit ihm arrangieren. Von wegen Geschmackssache und so.«
Wieder dreht Kate sich im Schlaf um, und ich weiß, dass jetzt der Zeitpunkt für mein Meisterstück gekommen ist.
Gott, ich werde allmählich richtig gut.
Na schön. Wir sind wieder in Mums Wohnzimmer, noch ein paar Jahre später. Mum und ich fläzen auf dem rotzgrünen Sofa, blättern in Einrichtungsmagazinen, und ich versuche Mum zu überreden, den schlammbraunen Teppichboden rausreißen und den Holzboden darunter abschleifen zu lassen, die Raufasertapete, die schon an den Wänden hängt, seit ich ein Baby war, endlich zu entfernen, und die Kordsamtvorhänge am besten gleich zu verbrennen. Oder das Fernsehen einzuladen, damit es eine schöne Vorher-Nachher-Renovierungsgeschichte gibt. Im Notfall könnte man auch einfach eine Bombe auf das Häuschen werfen, die Versicherung abkassieren und sich zwei schöne Ferienwochen auf den Bahamas machen.
In diesem Augenblick hören wir den Schlüssel in der Tür, Mum wirft die Zeitschriften von sich, lehnt sich zurück, ballt die Fäuste und starrt nach vorn, als säße sie angeschnallt in einer 747 , die gleich abhebt.
»Da sind sie!«, flüstert sie. »Kate mit ihrem neuen Freund! Ich möchte das auf keinen Fall verhexen, indem ich sage, er ist der Richtige, aber diesmal mach ich mir wirklich Hoffnungen. Also benimm dich ganz natürlich, ja?«
Dann kommt Kate hereingeflattert, mit einem strahlenden Lächeln, hübsch und so entspannt, wie ich sie selten erlebt habe, in einer engen, leicht ausgestellten Jeans – ein Schnitt, den sie inzwischen nicht mehr trägt –, die Haare offen und windzerzaust. »Okay, Leute, hier ist er«, strahlt sie uns an und geht dann noch mal zurück in den Flur. »Komm schon rein!«, ruft sie. »Die beißen nicht.«
»Das«, verkündet sie stolz und zerrt einen mir inzwischen sehr vertrauten jungen Mann durch die Tür, »das ist Paul.«
So weit, so gut. Sogar jetzt erscheint ein kleines Lächeln auf Kates Gesicht, während sie sich wieder umdreht und tiefer in den Schlaf sinkt. Ich bin dabei, sie zu ihren ersten magischen Begegnungen mit Paul zurückzuführen, nachdem ich sie an die ganzen Spinner erinnert habe, die ihr davor über den Weg gelaufen sind. Bis zu dem Glückstag, an dem sie, vor gar nicht allzu langer Zeit, mit ihren Freunden beim Pferderennen war und ein Unbekannter zu ihr
Weitere Kostenlose Bücher