Einmal Paradies und zurück
du tot! Nur damit du es weißt.«
Aber ich glaube, die Neugier gewinnt schließlich doch die Oberhand, denn ein, zwei Sekunden später streckt sie die Nasenspitze vorsichtig um den Baumstamm herum. Und schaut hin.
Sie sieht Tim, um genau zu sein. Die Exliebe ihres Lebens. So, wie er jetzt ist. Gerade wirft er die Tür des Jeeps zu, die sich mit einem teuren Klacken schließt, und schlendert schlaksig und langbeinig wie eh und je zur Haustür.
»Jesus, Maria und Joseph«, stößt Fiona schockiert hervor. »Peter Pan mit Haarausfall! Schau ihn dir an, er ist echt alt geworden. Ich meine …« Ihre Stimme versagt, denn sie hat einen dicken Kloß im Hals. »Er sieht so grau aus. Grau und verbraucht und müde. Das ist nicht der Tim, den ich kenne. Überhaupt nicht.«
Sie hat ihn ziemlich gut beschrieben: Er ist tatsächlich grau im Gesicht. Dabei war er noch vor wenigen Jahren eine regelrechte Augenweide, ein auf lässige Art höchst attraktiver Mann. Keine Spur von Eitelkeit. Er hat sich nur rasiert, weil er sonst irgendwann ausgesehen hätte wie ein Höhlenmensch, und in den Spiegel hat er nur geschaut, um seine Kontaktlinsen rein- oder rauszumachen. Groß und superschlank mit wilden schwarzen Locken, die ihm fast bis auf die Schultern reichten – ein bisschen wie ein Fußballer aus den Siebzigern. Schwarze Augen, die tanzten, wenn er uns mal wieder mit etwas zum Lachen gebracht hatte. Damals hat er auch immer diese T-Shirts getragen, mit Sprüchen wie: »Meine Mutter ist Fachfrau für Schuldgefühle aller Art.« Oder: »Ich hab alles gesehen, alles gehört und alles gemacht, ich kann mich nur nicht mehr an alles erinnern.« Und mein persönlicher Lieblingsspruch, den er an seinem einundzwanzigsten Geburtstag anhatte: »Ich tue immer das, was die Stimme in meinem Kopf mir sagt.« Einmal hat er Fiona auch ein Shirt zum Geburtstag geschenkt, und zwar mit der Aufschrift: »Prinzessin sucht Frosch.« Eine weniger pflegeleichte Frau hätte ihrem Freund wahrscheinlich den Marsch geblasen für so ein Geschenk, aber Fiona fand das Shirt so toll, dass sie es gar nicht mehr ausgezogen hat. Wohlgemerkt, der Lieblingssong der beiden war damals »Pretty Vacant« von den Sex Pistols. Nicht sonderlich romantisch, aber über Geschmack lässt sich bekanntlich streiten.
Wie sonderbar, Tim jetzt mit Anzug und mit Brille zu sehen, so konservativ, so müde und so, na ja, so alt. Wie das Bildnis des Dorian Grey, nur umgekehrt.
»Herrgott«, faucht Fiona und duckt sich wieder hinter den Baum. »Er hat geklingelt! Wenn jetzt jemand aufmacht und uns sieht?«
»Schau einfach hin, ja? Es ist wichtig.«
»Warum? Damit ich eine schöne Aussage machen kann, wenn ich wegen Stalking meines Exfreunds vor Gericht stehe?«
»Von wem willst du dich denn vor Gericht ziehen lassen? Von der Traumpolizei? Jetzt schau endlich hin, du verpasst die ganze Action!«
Diesmal strecken wir beide die Nasen hinter dem Baum hervor, gerade rechtzeitig, um zu sehen, wie die Tür aufgeht und … Trommelwirbel …
»Scheiße, Scheiße, Scheiße«, zischt Fiona. »Das ist ja Ayesha, seine Frau!«
»Exfrau, Liebes, wie du gleich sehen wirst.«
Fiona starrt mich an, und eine Sekunde lang befürchte ich, dass sie sich in den Rosenbusch hinter uns übergeben wird.
»Willst du mir etwa sagen …«
»Seit Januar sind die beiden getrennt. Ich hab das alles für dich recherchiert. Und schau, es gibt noch mehr zu entdecken.«
Ayesha steht jetzt auf der Schwelle, in einem blassrosa Jogginganzug von Juicy Couture, immer noch so braungebrannt wie eh und je, immer noch dünn wie ein Stock und mit schimmernden Fingernägeln, die viel zu lang sind, um natürlich zu sein.
Okay, ich sollte euch vielleicht mal wieder aufs Laufende bringen. Nach der Heirat ist Ayeshas Karriere alles andere als erfolgreich verlaufen. Wie sich herausstellte, muss man, um Nachrichtensprecherin bei Sky zu werden, tatsächlich lesen können – und damit war Ayeshas Traumjob für sie unerreichbar (ich zitiere hier Fiona). Als sie mit Tim und den Kindern nach Dublin zurückzog, überredete sie einen ihrer PR -Kumpel, für sie eine umfassende Medienkampagne anzuleiern. »Mein Ziel ist, irgendwann eine eigene Talkshow zu haben«, verkündete sie in einem Interview. »In London meinten alle, ich bin eine Naturbegabung. Ich liebeliebeliiiiebe es, Leute zu treffen! Für mich wäre
Xpose
einfach perfekt. Ich habe dem irischen Publikum so viel zu geben. Meine Vorbilder im richtigen Leben sind Oprah
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