Einmal Paradies und zurück

Handy ja jederzeit erreichbar ist, wenn Mum sie sprechen möchte. Außerdem ist Kate ja nur eine Nacht weg, und Mum hat eine Verabredung mit ihrer Freundin Nuala, so dass sie nicht ganz allein ist.
    Sofort habe ich wieder diesen Kloß im Hals. Nur bei dem Gedanken, was meine arme Mum durchmacht. Ich bringe es nicht mal übers Herz, mir im Detail vorzustellen, wie schmerzhaft das alles für sie sein muss, sondern wende lieber meine übliche Methode gegen alle Arten von Albtraumgedanken an – verdrängen, verdrängen und noch mal verdrängen. Stattdessen konzentriere ich mich lieber darauf, welche Wunder ich aus dem Jenseits für die Menschen, die mir am Herzen liegen, vollbringen kann. Nicht über den Tellerrand hinausschauen, nur das Wesentliche im Blick behalten.
    »Es war für uns alle eine schreckliche Zeit«, sagt Mum schließlich mit fester »Gleich-leg-ich-auf«-Stimme. »Und du musst mal rauskommen, Liebes, also nutz die Gelegenheit, und ich seh dich dann morgen, wenn du zurück bist.«
    Oh, das funktioniert viel besser, als ich es mir erhofft habe!
    Eine Stunde später sind wir unterwegs nach Westen, und ich sitze neben Kate in ihrem kleinen Mazda-Flitzer-Cabrio, das sie – ernsthaft! – von Perfect Paul zum dreißigsten Geburtstag bekommen hat. Ehrlich, wenn ich Kate nicht so liebhätte, wäre ich vor Eifersucht längst grün angelaufen, vor allem, wenn ich daran denke, dass James, der sowieso mit Terminen schlecht ist, meinen Geburtstag dieses Jahr fast vergessen hätte. In letzter Minute ist es ihm noch eingefallen, und er ist hastig über die Straße zur Tanke gerannt, um mir Lufterfrischer fürs Auto zu kaufen, dazu eine Familienpackung Cadbury’s Miniature Heroes und eine Packung Kondome. Dabei hat er sich wahrscheinlich in seinem verschrobenen Gehirn noch eingeredet, dass diese drei Dinge auf der Wunschliste jeder Frau stehen, ha ha. Später hat er mir dann zwar eine wunderschöne Wiedergutmachungs-Halskette gekauft, aber verletzt war ich trotzdem. Vergesst nicht, James ist ein Mann, dessen Vorstellung von einem perfekten Valentinstag-Geschenk eine Pralinenschachtel ohne Delle ist. Im vorigen Jahr hat er meinen Geburtstag nur deshalb nicht vergessen, weil ich eine Party organisiert hatte. Er hat mir zwei Goldfische namens Little James und Little Charlotte überreicht, die er, als ich mit Kate einen Mädels-Kurzurlaub gemacht habe, zu füttern vergessen hat – als ich heimkam, waren die Fische auf mysteriöse Weise verschwunden. Wahrscheinlich im Klo runtergespült, lautete Fionas und meine Hypothese. Romantik, dein Name ist James Kane.
    Aber egal, jetzt will ich über Kate reden, nicht über mich. Die Fahrt nach Galway dauert gut dreieinhalb Stunden, und ich muss an Thelma und Louise denken, allerdings ohne die Verfolgungsjagd. Und ohne den Anhalter auf dem Rücksitz. Aber den hätte Kate sowieso nicht einsteigen lassen, weil sie Kaugummikauer nicht ausstehen kann. Die meiste Zeit über versuche ich sie dazu zu bewegen, dass sie das Radio anstellt, auf Love FM , einen Sender, der ununterbrochen romantische Kuschelsongs bringt. Damit sie in die richtige Stimmung kommt. Nach ungefähr einer Stunde klickt sie tatsächlich aufs richtige Knöpfchen, und ich freue mich schon, aber da erklingt »Goodbye to Love« von den Carpenters, und Kate schaltet das Radio schnell wieder aus. Den Rest der Reise verbringen wir ohne Musik.
    Als wir am Nachmittag in Galway ankommen, fährt Kate gleich zu dem riesigen Haus ihres Schwagers Robbie, das am Stadtrand liegt, denn dort übernachtet Perfect Paul immer, wenn er hier ist. Vielleicht ist es Zeit, wieder mal ein bisschen was zu erklären. Von Pauls Brüdern steht Robbie ihm am nächsten, altersmäßig ebenso wie in jeder anderen Hinsicht. Die beiden sind nur ein Jahr auseinander und sehen sich sehr ähnlich, mit ihren breiten Nacken und ihrer männlichen Präsenz. Mum sagt immer, dass Paul sie ein bisschen an den stämmigen Wildwest-Comic-Helden Desperate Dan erinnert, der für seinen unersättlichen Appetit bekannt ist, und ich kann das gut nachvollziehen. Wir machen immer Witze darüber, dass Pauls Frühstück aus einer Packung Cornflakes besteht, die er vollständig in eine große Salatschüssel kippt, mit einem Pfund Zucker bestreut und das Ganze dann mit einem Liter Milch überschwemmt. Wenn man bedenkt, dass Kate sich für gewöhnlich bei Marks & Spencer einen Frischebeutel Salat holt und dann Scherze darüber macht, dass ihr Zielgewicht zwei Pfund über