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Einmal Paradies und zurück

Einmal Paradies und zurück

Titel: Einmal Paradies und zurück Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Carroll
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ihr von James’ katastrophalem Meeting heute Vormittag zu erzählen und wie anders ich als Produzentin an die Sache herangegangen wäre … wage ich solche Gedanken überhaupt zu denken? Als Erstes hätte ich Sir William zumindest eine halbwegs anständige Idee präsentiert, da bin ich sicher. Nachdem ich mir das Meeting angeschaut habe, denke ich ja sogar … das hätte ich auch gekonnt. Eigentlich hätte ich meinem Traum nachgehen und selbst Produzentin werden können, statt mir ständig von James anzuhören, dass ich nicht risikofreudig genug bin, und ihm dann kampflos die Hälfte meiner Ideen zu überlassen, damit er sie als seine eigenen ausgeben kann. Echt frustrierend, der Gedanke, dass ich möglicherweise gar nicht mal schlecht gewesen wäre. Und dass es mir gefallen hätte. Jetzt bin ich tot, und damit sind solche Projekte natürlich auch gestorben.
    Außerdem möchte ich Mum erzählen, dass Tim Keating seit neuestem getrennt ist und dass ich versuche, ihn wieder mit Fiona zusammenzubringen. In solchen Momenten wünsche ich mir, Mum wäre nicht so religiös, denn dann könnte ich mich vielleicht im Traum mit ihr unterhalten und sie überzeugen, dass es eine tolle Idee wäre, eine Seance zu veranstalten. Und ich wäre bestimmt nicht einer von diesen Wischiwaschi-Geistern, die einen nur übers Ohr hauen mit ihrem »einmal klopfen für ja, zweimal für nein«. Das Medium würde mich gar nicht mehr zum Schweigen bringen, ich würde Mum sagen, wie sehr ich sie liebe und vermisse und dass ich auf sie aufpasse und dass es mir jedes Mal wieder das Herz bricht, wenn ich sie sehe. Und wie leid es mir tut, dass ich mich nicht mal richtig von ihr verabschieden konnte. Und vor allem, wie anders ich mein Leben gelebt hätte, wenn ich gewusst hätte, dass schon nach achtundzwanzig Jahren Schluss sein würde.
    Sie hat ein Foto von mir und Dad auf ihren Nachttisch gestellt. Es ist nach einer Weihnachtsaufführung in der Schule gemacht worden, als ich ungefähr zehn war – wir haben Aschenputtel gespielt, und ich war eine von den hässlichen Schwestern. Hervorragende Rollenwahl, meinte Kate damals, worauf ich ein Riesengeplärr anstimmte. Später hab ich ihr oft vorgeworfen, dass sie mit ihrer Bemerkung jeden latenten Wunsch, Schauspielerin zu werden, bei mir im Keim erstickt hat. Aber so sind Schwestern eben. Erbarmungslos.
    Ich bleibe die ganze Nacht bei Mum. Ich bewache sie, weiter nichts.
    Früh am nächsten Morgen klingelt das Telefon auf dem Nachttisch und weckt sie. Schon bevor sie abnimmt, weiß ich, dass es Kate ist. Blicken wir den Tatsachen ins Auge – so früh rufen nur Verwandte und Versicherungsverkäufer an.
    »Ja? Oh, hallo, Liebes.« Gott, als ich ihre Stimme höre, wird mir erneut schmerzhaft bewusst, wie sehr ich sie vermisse. Obwohl ich nur ihre Seite der Unterhaltung mitbekomme, ist klar, dass Kate sich am anderen Ende der Leitung über Perfect Paul beklagt. Zumindest entnehme ich das der Häufigkeit, mit der Mum Dinge sagt wie: »Aber er muss doch arbeiten, Liebes. Und es ist nicht seine Schuld, dass seine Band immer im Westen auftritt, oder?« Und während ich mir noch das Hirn zermartere, was in aller Welt ich für Kate tun kann, kommt der Durchbruch.
    Mum ist mitten in einer Einkaufsliste – lauter Sachen, die Kate ihr von Lidl mitbringen soll – und überlegt gerade, ob sie Schinkenspeck und Leberwurst möchte oder mal versuchen soll, gesund zu essen und lieber Vollkornbrot nehmen, als sie plötzlich aus heiterem Himmel meint: »Kate, du brauchst das nicht zu machen, weißt du. Nein, ich meine nicht das Einkaufen, da brauche ich schon deine Hilfe, und du weißt ja hoffentlich auch, wie dankbar ich dir dafür bin. Solange du nicht noch mal diese ekelhafte fettarme Margarine mitbringst jedenfalls. Richtige Butter oder gar nichts. Nein, ich meine, du musst den Tag heute nicht mit mir verbringen. Nicht, wenn du lieber zu Paul nach Galway fahren würdest.«
    Bingo
, denke ich und sehe sie staunend an. Genau das ist es, was Kate braucht. Entspannte Zeit mit ihrem Mann, weit weg von dem ganzen Stress, der Sorge, dem Kummer. Ich wünsche mir, dass sie antwortet, ja, danke für die Anregung, ich packe gleich meine sexy Unterwäsche ein, und in fünf Minuten sitze ich im Auto. Aber anscheinend wehrt sie sich, denn Mum beteuert: »Ja, natürlich meine ich es ernst«, mehrmals, im Brustton der Überzeugung. Schließlich erklärt sie Kate, dass sie hier doch sowieso nichts tun kann und dass sie am

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