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Einmal Paradies und zurück

Einmal Paradies und zurück

Titel: Einmal Paradies und zurück Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Carroll
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gerade gesagt habe?«, frage ich dicht an seinem Ohr, denn ich habe tatsächlich ein bisschen Angst, dass er diese besondere Fähigkeit verloren hat. Vielleicht ist er aber auch nur zu verwirrt, um mich zu bemerken, während er die Treppe runterrennt. Sicherheitshalber hefte ich mich an seine Fersen. Er reißt die Tür auf, und davor stehen zwei Leute. Einer ist der Postbote, der James’ Unterschrift für ein Einschreiben braucht.
    Die andere Person ist meine Mum.
    »Mum!« Ich schluchze beinahe vor Freude, und für einen Moment ist meine Wut fast vergessen. Meine Mum ist hier, eine Verbündete, die James zumindest metaphorisch einen Tritt in den Hintern verpassen kann!
    »Ich hab dir so viel zu erzählen«, sage ich und gehe zu ihr, um sie in den Arm zu nehmen. »Gestern war ich mit Kate bei Pauls Familie, und die waren alle total gemein zu ihr. Einschließlich Paul …« Ungefähr eine Minute dauert es, bis mir wieder klarwird, dass sie mich nicht hören kann und auch meine Umarmung nicht spürt. Auch wenn es mir beinahe das Herz bricht. In ihrem guten braunen Hosenanzug und den unbequemsten Schuhen steht sie auf der Schwelle, die Handtasche steif über einem Arm, und starrt James herausfordernd an.
    Faszinierend, wie schnell James’ Persönlichkeit auf »kriecherischer Schleimer« umschaltet.
    »MrsGrey!«, säuselt er und hält meiner Mutter zuvorkommend die Tür auf. »Wie schön, Sie zu sehen. Wollen Sie nicht reinkommen und ein Tässchen Tee mit mir trinken?«
    »Fall bitte nicht auf seinen Charme rein, Mum«, rufe ich. »Seine neue Freundin hat sich oben auf dem Speicher versteckt, wie Anne Frank, und wenn du gesehen hättest, wie dieser Mistkerl einfach alle meine Sachen in Plastiktüten packt …«
    Ich breche ab, weil ich sehe, wie James sich umschaut und meine Stimme zu orten versucht. Na endlich. Mum zögert eine Sekunde und wägt ihre Abneigung gegen James gegen die Tatsache ab, dass er so nett zu ihr ist.
    »Sag nein, Mum! Sag nein, er soll dir den Buckel runterrutschen!«
    James fängt wieder an, sich die Schläfen zu massieren, als hätte er schlimme Kopfschmerzen, aber Mum scheint es nicht zu bemerken. Vielleicht ist es ihr aber auch egal.
    »Nein, danke«, sagt sie schließlich energisch. »Ich möchte nur Charlottes Sachen abholen, dann mache ich mich gleich wieder auf den Weg. Kate möchte vor allem die Bücher und die CD s.«
    Aha, allmählich verstehe ich den Sinn des Besuchs.
    »Sag ihm, dass du zufällig weißt, dass meine Sachen alle oben unterm Dach sind, Mum.« Ach, Mist, Mist, Mist, warum kann sie mich denn nicht hören?
    »Kein Problem, MrsGrey, aber Charlottes Sachen sind nicht oben unterm Dach«, sagt James salbungsvoller als ein schmieriger Paparazzo. »Bitte, wollen Sie nicht reinkommen?«
    »Ich hab doch gar nichts von oben unterm Dach gesagt«, meint Mum, geht vorsichtig über die Schwelle, und bleibt dann wie angewurzelt stehen.
    »Ach richtig, ja, ja, klar«, rudert James schnell zurück. »Also … äh … wie geht es Ihnen denn, MrsGrey?«, fährt er fort, während er noch mehr von meinen Sachen einpackt. Diesmal in eine Mülltüte.
    Mum betrachtet ihn missbilligend, hält sich aber zurück. Mir wäre es am liebsten, sie würde ihm sagen, dass er ein unsensibles Arschloch ist. »Ach, mir geht es den Umständen entsprechend.«
    »Sie findet, du bist ein saublöder Schwätzer«, sage ich laut. James wird blass. Was ihn leider nicht daran hindert, Mum weiter zu becircen. »Du verschwendest bloß deine Zeit mit dieser Schleimerei. Sie weiß Bescheid über dich …«
    »Wissen Sie, MrsGrey«, unterbricht er mich, und eine Sekunde bin ich beinahe beeindruckt davon, wie gut er meine Stimme inzwischen ausblenden kann. »Wo Sie schon mal hier sind, möchte ich Ihnen gern etwas sagen.«
    »Wahrscheinlich, dass du mal auf ihrer Toilette Koks geschnupft hast, aber das hab ich ihr längst erzählt.«
    »Natürlich nur, wenn das für Sie in Ordnung ist. Ich weiß ja, was Sie durchmachen, und ich möchte es für Sie auf gar keinen Fall noch schlimmer machen«, meint er mit einem debilen Grinsen, ohne mir die geringste Beachtung zu schenken.
    »Ach ja, James, Mum ist übrigens auch darüber informiert, dass wir auf ihrem neuen Sofa miteinander geschlafen haben, nach der Party zu ihrem sechzigsten Geburtstag, sie war grade erst ins Bett gegangen.«
    Das ist eine Lüge, aber es ist ein Vergnügen zu sehen, wie James ins Stottern gerät.
    »… das stimmt überhaupt nicht … auf Ihrem

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