Einmal Paradies und zurück
springt er abrupt auf, drückt die Zigarette aus, schnappt sich die Autoschlüssel und ist mit einem Sprung an der Tür. Dort dreht er sich allerdings noch einmal um, fast so, als wäre ihm gerade erst aufgefallen, dass Sophie im Zimmer ist.
»Das Schreiben? Ach, das ist eine Lappalie, Schätzchen«, grinst er und stopft den Brief in seine Hosentasche. »Ich hab mal einen Film gemacht, bei dem drei von den vier Hauptdarstellerinnen eine Woche vor Drehbeginn abgesagt haben. Das war ein bisschen heikel, aber dieser Brief – den kann man vergessen, glaub mir.«
Minuten später sind wir in seinem Auto, er telefoniert, und ich höre zu. »Ja, die Situation ist sehr bedauerlich, MrKane, dafür haben wir Verständnis«, sagt der Bankmanager über das Bluetooth-Soundsystem. Eine nasale, dünne Stimme, die vor meinem inneren Auge das Bild eines kleinen Nagetiers erscheinen lässt. »Aber nachdem wir Ihnen in jeder nur erdenklichen Hinsicht entgegengekommen sind, haben wir nun leider keine andere Wahl mehr, als die Maßnahmen zu ergreifen, die wir Ihnen in unserem Einschreiben erklärt haben.« Anscheinend mag er das Wort »Zwangsenteignung« auch nicht in den Mund nehmen.
»Ja, aber Sie wissen doch, dass meine Branche extremen Fluktuationen unterworfen ist«, erwidert James, überströmend von falschem Selbstvertrauen, während ich neben ihm vor Scham am liebsten im Boden versinken möchte. Was bin ich froh, dass ich nie ein Haus oder eine Wohnung besessen habe und daher auch nie ein solches Gespräch führen musste! »Ich bitte Sie nur um noch ein kleines bisschen Geduld, weiter nichts. In drei Monaten, wenn die Finanzierung für mein nächstes Fernsehprojekt steht, werde ich sämtliche noch ausstehenden Zahlungen umgehend tätigen, das garantierte ich Ihnen. Samt Zinsen. Und Mahngebühren. Samt allem, was Sie sonst noch verlangen. Kommen Sie, wir haben schon so lange geschäftlich miteinander zu tun, Sie wissen doch, dass Sie sich auf mich verlassen können. Noch ein bisschen Geduld, ist das zu viel verlangt?«
»Ja, MrKane, leider. Es ist zu viel verlangt. Wenn eine Hypothekenzahlung fast elf Monate im Rückstand ist, können wir keine Ausnahmen mehr machen. Außerdem ist unsere Geduld bereits auf eine schwere Probe gestellt worden. Es ist bedauerlich, aber es geht nicht mehr anders. Ich muss Ihnen dringend raten, sich in unserer Filiale zu melden …«
Beim Gedanken, dass das Haus womöglich zwangsversteigert wird, wird mir ganz flau im Magen. Dabei hat es mir doch nie wirklich gehört, und außerdem bin ich tot – man kann mich also nicht in den Schuldturm werfen oder so. Aber James fällt dem Bankmanager ganz cool ins Wort, dass er einen anderen Anruf entgegennehmen muss, und verspricht, so bald wie möglich zurückzurufen. Ich meine, man hat ja schon von übersteigertem Selbstbewusstsein gehört, aber das hier schlägt dem Fass den Boden aus.
»Wenn du es ernsthaft für eine gute Idee hältst, den Mann, der die Macht hat, dich obdachlos zu machen, einfach so am Telefon abzuwimmeln, dann … dann …«, sage ich, bleibe aber mitten im Satz stecken.
»Himmel!«, schreit James und fährt vor Schreck Schlangenlinien. In diesem Moment kommt der andere, ach so wichtige Anruf durch, und ich spitze die Ohren.
»Äh … hallo? Spreche ich mit James Kane?«, sagt eine tiefe Baritonstimme, bei der ich mir sofort einen beleibten Opernsänger vorstelle.
»Ja – mit wem spreche ich?«
»Hier ist Thaddeus Byrne. Ich hoffe, mein Anruf kommt nicht ungelegen?«
Thaddeus Byrne … ich zermartere mir das Hirn, woher mir dieser Name bekannt vorkommt. Dann fällt plötzlich der Groschen. Der Expriester, der Autor von
Wer ohne Sünde ist
. Der Bestseller, aus dem das unfinanzierbare, nicht realisierbare, todlangweilige TV -Projekt geworden ist.
»Hallo, MrByrne, schön, von Ihnen zu hören!«, schleimt James. »Alles gut bei Ihnen?«
»Nun … eigentlich …«, dröhnt der Bariton, und meine Engelintuition sagt mir, dass nichts Gutes in der Luft liegt. »Ich habe gerade einen Anruf von Ihrem Partner Declan bekommen«, blafft Byrne schließlich. »Er hat mir von dem Meeting mit Sir William Eames berichtet.«
»Ja?«, sagt James nur. Dass er nicht mit einem seiner unhöflichen Lieblingssprüche im Stil von: »Fangen Sie doch einfach mit dem letzten Satz an« reagiert, zeigt deutlich, wie wichtig dieser Thaddeus für die Firma ist.
»Declan hat mir mitgeteilt, dass die Finanzierung für die Verfilmung meines Buchs
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