Einmal Paradies und zurück
erklärt die junge Frau, deren Extensions fast in die Teller baumeln, ohne Kate auch nur anzuschauen. Langsam steigt sie die Hintertreppe hinauf, und ich bleibe ihr dicht auf den Fersen, denn ich bin total gespannt, was Paul für ein Gesicht machen wird, wenn er sieht, dass seine Frau den ganzen weiten Weg gefahren ist, nur um bei ihm zu sein. Dass sie gekommen ist, um sich mit ihm auszusöhnen. Dass sie ihn liebt und weiß, was für ein Glück sie hat, den idealen Gatten gefunden zu haben – um es mal mit Oscar Wilde auszudrücken. Schließlich ist er ja nicht schuld daran, dass seine Brüder solche Tussen geheiratet haben. Kate und Paul haben einander, das ist es doch, worauf es ankommt.
Vom Korridor hört man »Yesterday« von den Beatles – gesungen von einer ziemlich tiefen Frauenstimme, begleitet von Gitarrengeklimper. Hier probt offensichtlich die Band, und die Stimme gehört vermutlich der phänomenalen Julie, die demnächst ihren großen Durchbruch haben wird.
Kate geht in den Raum. »Hi, Schatz, ich bin’s!«, ruft sie mit einem strahlenden Lächeln.
Aber vor ihr sitzen keineswegs die ganzen Bandmitglieder.
Sondern nur Paul und Julie.
Und die beiden sehen nicht sonderlich erfreut aus, als sie Kate erkennen.
Später begleite ich Kate, die ziellos durch die Filiale von Brown Thomas wandert. Die letzten Stunden hat sie damit verbracht, aus schlechtem Gewissen Geschenke für ihre Horrorschwägerinnen zu kaufen. Ich weiß, dass sie total aufgewühlt ist, und ich konnte sie unmöglich alleine umherirren lassen. Jetzt ist sie schwer bepackt mit allem möglichen Zeug: Duftkerzen für die schwangere Schwägerin, Parfüm für die stillende, ein riesiger Schokoladenkuchen für das Dorngestrüpp und eine Vielzahl von Tüten von der Sweet Factory für die Kids – als Ausgleich dafür, dass sie vorhin mit leeren Händen aufgetaucht ist.
Vorhin bei Sheehan’s hat Paul sie zwar ausgesucht höflich behandelt, ihr aber unmissverständlich klargemacht, dass er keine Zeit hat, weil er mit Julie proben muss, und dass sie sich deshalb erst zum Abendessen bei Rose sehen werden. So stand Kate vor der Wahl, entweder zurückzufahren und bis zu seiner Ankunft Smalltalk mit seiner schrecklichen Familie zu machen, oder sich für ein paar Stunden zu verdrücken und sich die Zeit mit Shoppen zu vertreiben. Und man kann ihr wirklich keinen Vorwurf daraus machen, dass sie sich für Letzteres entschieden hat.
Doch als die Uhr sich in Richtung sechs bewegt, bleibt ihr nichts anderes übrig, als sich auf den Rückweg zu machen, denn sie will auf keinen Fall unhöflich sein – das wäre für ihre Schwägerinnen ein gefundenes Fressen. Also versucht sie Paul erneut anzurufen, kriegt wieder nur die Mailbox und hinterlässt ihm die Nachricht, dass sie sich später in Roses Haus treffen. Sie tut mir echt leid, als sie sich tapfer zurück in die Küche des Schreckens begibt, wo sich, abgesehen von den Kids, die nun vor dem Fernseher lümmeln, keiner von der Stelle gerührt zu haben scheint. Aber so ist diese Familie eben. Anscheinend sitzen sie gerne den ganzen Tag zusammen rum, vielleicht weil man dann besonders gut über Außenseiter wie Kate herfallen und die ganze restliche Welt außerhalb der eigenen vier Wände hassen kann.
Befangen verteilt Kate die Geschenke, entschuldigt sich dann eilig und geht hinauf, um sich vor dem Essen ein bisschen frischzumachen. Paul ist immer noch nicht von der Probe zurück, aber Kate ist verständlicherweise lieber allein im Gästezimmer als in Gesellschaft der Schwägerinnen. Wieder bleibe ich zurück, und wie nicht anders zu erwarten, hat Kate kaum die Tür hinter sich geschlossen, als sie auch schon wieder anfangen, über sie zu tratschen. Ehrlich, dass Kate versucht, nett zu ihnen zu sein, ist ein großer Fehler. Ein Riesenfehler. Sagen wir es mal so: Norman Rockwell hätte seine Freude daran, diese Familie in all ihrer Gemeinheit und Verlogenheit zu malen.
»Die kauft mir einen popligen Kuchen?«, beginnt Rose. »Wo jeder weiß, dass ich Bezirksfinalistin beim diesjährigen Backwettbewerb in Oranmore war? Ganz schön unverschämt, oder nicht?«
»An der Duftkerze, die sie mir geschenkt hat, klebt noch der Preis«, murrt die Schwangere. »Zweiundvierzig Euro! Unfassbar! So viel Geld für eine Kerze? Wahrscheinlich wird sie Paul ruinieren.«
»Und dann noch säckeweise Süßigkeiten mit jeder Menge Konservierungsstoffen für die Kinder«, fügt die dritte Hexe im Hexenzirkel hinzu, die
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