Einmal rund ums Glück
Augen mustern mich. Simon ist ziemlich attraktiv. Er ist Mitte vierzig, hat ein gebräuntes, wettergegerbtes Gesicht und kurzes, rotblondes Haar.
»Gut, super«, bringe ich heraus.
»Keine Pläne, in nächster Zeit auf ein anderes Pferd umzusatteln?«
»Nein, nein, natürlich nicht.«
»Gut«, sagt er. »Daisy, wie du weißt, hat sich letztes Jahr Jen um die Jungs gekümmert.« Er spricht von Jennifer, dem Mädchen, das ich ja bereits erwähnt habe. Ich nicke, gleichzeitig erleichtert und neugierig, dass es nicht um meinen Unfall mit dem Roller geht. »Dieses Jahr wollte ich die Sache mit dem Servicepersonal eigentlich etwas weniger aufwendig angehen.«
»Aha?«
»Aber einer der Jungs hat gefragt, ob wir wieder zur Regelung des letzten Jahres zurückkehren könnten.«
Einer der Jungs?
»Aha …«
»Ich habe überlegt, ob du Lust auf diese Aufgabe hättest.«
Ich bin sprachlos. Will hat nach mir gefragt. Denn Luis kann es nicht gewesen sein.
»Eigentlich ist es nichts anderes, als was du jetzt machst«, fährt Simon fort. »Du müsstest Frederick unterstützen und dich um den Rest des Teams kümmern, aber du hättest noch direkteren Kontakt zu Will und Luis – und zu mir, wenn ich mal Hilfe bräuchte. Wie hört sich das an?«
Er rechnet damit, dass ich begeistert bin.
»Super! Klingt hervorragend!«
»Gut.« Simon steht auf. Unsere Besprechung ist beendet.
Ich gehe zurück in die Küche, und Holly und Frederick sehen mir auf der Stelle an, dass ich nicht rausgeworfen wurde.
»Was war denn?«, fragt Holly grinsend.
»Ich habe Jennifers Job bekommen«, sage ich, immer noch leicht verblüfft.
»Jens Job?«, hakt sie nach.
»Ja. Mich um Will, Luis und Simon kümmern …«
»Ah!« Sie wirkt überrascht. »Na, schön für dich«, sagt sie und putzt dann weiter die Arbeitsflächen.
Ich hätte erwartet, dass Holly sich etwas mehr für mich freut, aber vielleicht liegt es daran, dass Frederick in der Nähe ist.
Apropos … »Abwaschen gehört aber immer noch zu deinen Aufgaben«, sagt er unwirsch und zeigt auf die Spüle.
Doch nicht einmal der Eiffelturm von Tellern vor mir kann das Grinsen aus meinem Gesicht vertreiben, je länger ich über meine Beförderung nachdenke.
Kapitel 4
Ich kann mich nicht mehr erinnern, wie Will aussieht. Wenn ich früher über beide Ohren verknallt war, konnte ich mir das Gesicht des Angebeteten nie richtig vorstellen. Seit meiner Jugend ist das so.
Ich konzentriere mich und versuche, Wills Gesicht vor mir zu sehen. Seine blauen Augen … ja! Das ist er. Doch fast genauso schnell ist er wieder weg.
Ich knipse meine Nachttischlampe an und steige aus dem Bett. Auf der Kommode liegt ein Stapel Zeitschriften, die ich durchblättere, bis ich auf eine etwas ältere Ausgabe stoße. Wills Gesicht ziert das Titelblatt, aber irgendwas stimmt nicht. Irgendetwas fehlt.
»Daisy, mach das Licht aus, Mensch!«
Schnell lege ich die Illustrierte zur Seite, gehe wieder ins Bett und tue, was Holly sagt.
»’tschuldigung«, flüstere ich.
Sie stöhnt nur und schiebt die Decke beiseite.
Es ist unglaublich schwül und warm hier. Wir sind in Kuala Lumpur; vor vier Tagen habe ich Will zum letzten Mal gesehen. Holly und ich sind am Montagnachmittag direkt hergeflogen. Nach dem Rennen werden wir noch eine Woche Urlaub auf der Insel Langkawi dranhängen. Unberührte Strände, Palmen und kristallklares Wasser, so weit das Auge reicht … Wenn man an einen Fleck kommt, der so schön ist wie Malaysia, wäre man dumm, das nicht richtig auszukosten.
Vor zwei Tagen haben wir uns mit Frederick getroffen, um ihm bei der Suche nach regionalen Lebensmitteln zu helfen und den Gästebereich an der Rennstrecke einzurichten. Gestern kamen die Mechaniker an, und heute treffen die Fahrer ein. Vor Aufregung, Will wiederzusehen, kann ich nicht schlafen. Es ist schon halb vier Uhr morgens, um fünf müssen wir an der Strecke sein. Ich werde aussehen wie aus dem Müll gezogen, aber daran kann ich jetzt nichts mehr ändern.
Will ist schon seit zwei Tagen mit seinem Personal Trainer in Kuala Lumpur, um sich zu akklimatisieren und auf die Witterung einzustellen. Ich war die ganze Zeit aufgedreht, weil ich mir immer vorgestellt habe, ihn zufällig zu treffen, aber in einer so großen Stadt ist das eher unwahrscheinlich. Er wohnt mit Simon und dem Vorstand in einem anderen Hotel. Und natürlich mit Luis.
Irgendwann knipst Holly das Licht an.
»Kannst du nicht schlafen?«, frage ich.
»Nein. Wegen dir«,
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