Einmal scheint die Sonne wieder
konnten sie nicht verstehen.
In dem Zimmerchen neben der Vierbetten-Station lagen das kleine rotbackige Mädchen, das uns zuwinkte, und die Alte mit den Blääungen, die es nicht tat. An dem Bett der Kleinen stand Evangeline Constable. Neben ihnen, in einem Einzelzimmer, lag eine Miß Sigrid Hansen, eine hübsche blonde Person, die uns anstarrte, als wir vorbeigingen, aber keine Miene verzog. Im nächsten Doppelzimmer lagen ein rothaariges Mädchen, daß die Augen geschlossen hielt und deren Namensschild durch den Morgenrock verdeckt war, und eine Mrs. Melville, die einen gelben Turban und große Ohrringe trug und wie eine alte Zigeunerin aussah. Dann kamen zwei kleine japanische Mädels, und nach Kimis abgewandtem Kopf und den zusammengezogenen Augen zu urteilen, hatte keine von den beiden eine Spur von Charakter.
Dann verlangsamte ich meinen Schritt, denn ich kam an die Zelle neben unserer, das Heim von Rassellunge, und wollte sie mir genau begucken. Sie war viel jünger, als es sich anhörte. Anscheinend Anfang Zwanzig. Sie hatte blaßblondes Haar, kleine braune Augen, gelbliche Haut und häkelte etwas großes Orchideenfarbenes. Sie winkte und lächelte uns zu, wobei sie uns ihre weit auseinanderstehenden kleinen braunen Zähne und ihr freundliches Gemüt zeigte. An ihrem Bett stand Mrs. Helen Cranston. Auch ihre Zimmergenossin war jung, aber dunkel und plump. Sie hieß Miß Charmine White und häkelte etwas großes Schwarzes. „Vielleicht ihr Sterbekleid“ sagte Kimi leise zu mir, während sie Charmine zulächelte.
Wir wurden nicht nur monatlich einmal gewogen, sondern unsere Fortschritte wurden auch durch Blut-Senkung, Harnuntersuchung, Röntgenaufnahme und Auswurfprobe laufend überprüft. Da fast jeder durch die Bettruhe an Gewicht zunahm und zu husten aufhörte, konnte der Chefarzt nur durch Laboratoriumsuntersuchungen und Röntgenaufnahmen feststellen, ob der einzelne Patient Fortschritte machte oder nicht.
Von diesem Fortschritt erfuhren wir nichts. Nur an den Vorrechten, die uns zugestanden wurden, konnten wir merken, ob wir gesund wurden oder sterben würden. Wenn wir zufriedenstellende Fortschritte machten, bekamen wir am Ende des ersten Monats die Badezimmererlaubnis und fünfzehn Minuten Lese- und Schreibzeit täglich. Wenn wir weitere Fortschritte machten, wurde unsere Lese- und Schreibzeit nach zwei Monaten auf eine halbe Stunde ausgedehnt, wir durften Bücher lesen und bekamen täglich zehn Minuten Beschäftigungstherapie. Nach drei Monaten wurde außer den anderen Proben eine Lungenuntersuchung gemacht, und wenn weiter alles in Ordnung war, bewilligte man uns drei Stunden Aufstehzeit und eine Stunde Beschäftigungstherapie; außerdem durften wir (falls die Oberschwester einen dafür aussuchte) ins Kino gehen.
Das Aufstehen begann als Sitzen im Bett. Fünfzehn Minuten am ersten Tag, zwanzig Minuten am zweiten und täglich fünf Minuten mehr, bis der Patient auf eine halbe Stunde kam; dann fünfzehn Minuten vormittags und fünfzehn Minuten abends, die täglich um fünf Minuten verlängert wurden, bis eine Stunde erreicht war. Dann wurde der Patient auf die Veranda gebracht, wo er Vor- und Nachmittag in einem Liegestuhl sitzen durfte, und diese Zeit wurde täglich um zehn Minuten ausgedehnt, bis die drei Stunden voll waren. Wenn er dann immer noch gute Fortschritte machte, wurde er in die Ambulanten-Abteilung geschickt.
Lektion VI hatte behauptet: „Es ist nicht vorteilhaft, schnell an Gewicht zuzunehmen, da dies der kranken Lunge nur zusätzliche Arbeit aufbürdet. Sie müssen langsam und allmählich zunehmen, und dabei mit dem Gesundungsprozeß in ihren Lungen Schritt halten, bis Sie das für Ihr Alter und Ihre Größe normale Gewicht erreicht haben. Darum stopfen Sie sich nicht voll. Seien Sie kein Schwein. “
Kimi war beleidigt und dachte, die Lektion sei auf sie gemünzt, denn sie hatte fünf Pfund zugenommen. Ich hatte drei zugenommen und Eileen erzählte in einem temperamentvollen Brief, es sei jetzt witzlos, daß sie aus dem Fichtenhain herauskäme, denn sie hätte zwölf Pfund zugenommen und keine Platzanweiserinnen-Uniform würde ihr mehr passen. Kimi schrieb zurück: „Sie sollten sich beschweren. Auch ich war unter meinen eigenen Leuten bereits ein Koloß, aber nun sehe ich auch noch dem einsamen Dasein einer alten Jungfer entgegen.“ Ich war einen Monat im Fichtenhain und es war Sonntag und Besuchstag. Um Punkt zwei schlug ich die Augen auf. Da standen Anne, Joan und Mutter
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