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Einmal scheint die Sonne wieder

Einmal scheint die Sonne wieder

Titel: Einmal scheint die Sonne wieder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Betty McDonald
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schon tot, die jetzt ganz gesund seien und ein normales, nützliches Leben führten.
    Der Spruch auf unserem Tablett lautete an jenem Abend: „Sie sind für die Arbeit nicht richtig gekleidet, wenn Sie nicht ein Lächeln tragen.“ – „Oder eine Narbe,“ fügte Kimi hinzu.
    Am 30. Oktober, einen Monat und zwei Tage nachdem ich in den Fichtenhain gekommen war, erschien zu Beginn der Ruhezeit eine Schwester in unserer Tür und befahl mir, mich zum Transport im Rollstuhl zurechtzumachen. Ich fragte, wohin ich käme, aber sie antwortete nur: „Schschscht,“ und verschwand. Sicher hatte man irgendeinen triftigen Grund dafür, aber die Methode, Patienten in Rollstühlen abzuholen und ihnen nicht zu sagen, wohin sie gebracht werden, ist mir immer brutal und sinnlos erschienen. Wurde einem ein Rollstuhl ans Bett gebracht, so konnte das heißen: Zahnarzt, Chirurgie, Bestrahlungen, Untersuchungen, Röntgenaufnahme, Durchleuchtung, Film, ein Vortrag, Entlassung, Verlegung in eine andere Abteilung, ein Todesfall in der Familie – eine Unzahl von Dingen, meist unangenehmer Art, aber nichts war so unangenehm wie im Dunkeln gelassen zu werden und mit rasendem Puls und Steinen im Magen Korridore entlangzusausen.
    Ich wußte, wenn während der Ruhezeit ein Rollstuhl kam, ging es gewöhnlich in das Behandlungszimmer. Das Behandlungszimmer für mich! Meine Hände zitterten wie Espenlaub, als ich versuchte, meinen Morgenrock zuzubinden. Matt saß ich auf meiner Bettkante, und Sätze aus der Lektion über Chirurgie schossen mir wie Fledermäuse in einem schauerlichen Kreis im Kopf herum. „Phrenikotomie, Thorakoplastik, bilateraler Pneumothorax, Stillegen beider Lungen.“ Während ich wartete, pochte mein Herz und meine Hände wurden feucht und klamm.
    Kimi versuchte mich zu trösten. Sie hatte vor Aufregung und Besorgnis hochrote Backen und sagte: „Wenigstens wissen Sie, daß man Betäubungsmittel erfunden hat; und was auch mit Ihnen gemacht wird, es wird nicht weh tun.“ Ich antwortete: „Ja, aber allein die Tatsache, daß sie was mit mir machen, muß doch bedeuten, daß es bei mir nicht besser wird. Denken Sie doch an die Lektion: ,Es gibt Fälle, die durch Ruhe, frische Luft und gutes Essen nicht besser werden!‘“ Wir konnten das Knarren des herannahenden Rollstuhls hören. Kimi sagte: „Atmen Sie schnell noch mal tief mit beiden Lungen. Vielleicht ist es das letzte Mal.“
    Die Schwester kam herein, ich tastete mich wie eine zittrige alte Dame in den Rollstuhl, und wir rollten den Gang hinunter, am Büro der Oberschwester vorbei, durch große, doppelte Flügeltüren und in das Behandlungszimmer, wo ich mitsamt Rollstuhl und allem anderen an die Operationssaal-Schwester, eine Miß Welsh, ausgeliefert wurde. Miß Welsh sah vergnügt aus und erwies sich als verständnisvoll und freundlich zugleich, denn sie sagte mir sofort, daß ich einen künstlichen Pneumothorax bekommen sollte. „Machen Sie um Himmels willen kein so verängstigtes Gesicht, es ist gar nichts dabei.“
    Das Behandlungszimmer, ein sehr großer, altmodischer Operationssaal, war durch weiße, über Stangen gehängte Tücher in Abteilungen aufgeteilt. Miß Welsh flüsterte, daß bei allen neuen Patienten der Chef selbst den Pneumothorax mache, daß er hinter den Vorhängen sei und sehr reizbar wäre, wenn er operiere. Sie rollte mit den Augen, hielt einen Finger vor den geschlossenen Mund und gab mir damit zu verstehen, daß ich absolut ruhig zu sein hätte, sonst… Damit verschwand sie hinter dem Vorhang. Die Fenster im Operationssaal gingen bis zur Decke, er hatte weiße Wände und eine starke Deckenbeleuchtung, und wie ich da so ganz still in meinem Rollstuhl saß und in das helle Licht blinzelte und schielte, kam ich mir vor wie ein Maulwurf, der sich plötzlich in den Sonnenschein hochgegraben hat.
    Noch zwei andere Patienten warteten: Das blonde Mädchen mit dem Goldzahn, das an meinem ersten Morgen im Sanatorium Waschwasser ausgeteilt hatte. Sie trug die gleiche kastanienbraune Wolljacke und arbeitete mit Schiffchen an etwas Winzigem in Rosa. Sie lächelte, sagte aber nichts.
    Der andere Patient war ein junger Mann mit dickem, glattem dunklem Haar, tiefliegenden braunen Augen und fiebrig-roten Backen. Sein marineblauer Morgenrock hatte auf dem Aufschlag einen Eierfleck, und ich sah an den braunen Tabakflecken auf seinen Fingern, daß er noch sehr neu war. Er zeigte nicht das geringste Interesse an mir, der Blonden oder seiner Umgebung, sondern

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