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Einmal scheint die Sonne wieder

Einmal scheint die Sonne wieder

Titel: Einmal scheint die Sonne wieder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Betty McDonald
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heute“? und „Sie sind nicht meine Freundin“. Ich brachte Kimi Französisch bei, und sie las „ Sans Familie “ und „ La Tulipe Noire “, als sie aus dem Fichtenhain herauskam, aber ihre Unterhaltungen mit mir beschränkten sich auf „ L’oiseau est sur l’arbre “ und „ Où est le crayon? “.

ZEHNTES KAPITEL
    Ein Lächeln oder eine Narbe

    Lektion IX erklärte die im Fichtenhain üblichsten chirurgischen Eingriffe, mit denen man die Tuberkulose zum Stillstand brachte. Es waren:
    Künstlicher Pneumothorax – Zusammenpressen der angegriffenen Lunge durch Einführung von Stickstoff oder filtrierter Luft in die Pleurahöhle (zwischen Brustwand und Lunge). Die Luft wurde zuerst alle zwei Tage, dann zweimal wöchentlich, einmal wöchentlich, einmal alle vierzehn Tage, einmal im Monat und schließlich alle vier bis sechs Wochen nachgefüllt. Der Pneumothorax mußte für eine Zeit von zwei bis vier oder mehr Jahren beibehalten werden.
    Bilateraler Pneumothorax – Zusammenpressen beider Lungen durch einen Pneumothorax. Tatsächlich wurde nur ein Teil beider Lungen ausgeschaltet, und Patienten mit bilateralem Pneumothorax litten zwar an Atemnot, konnten aber in beschränktem Umfang sich betätigen.
    Intrapleurale Pneumolyse – Durchschneiden von Verwachsungen zwischen Brustwand und Lunge. Solche Verwachsungen verhindern ein ausreichendes Stillegen der Lunge.
    Thorakoplastik – Entfernen von Rippenteilen auf einer Seite des Brustkorbs, um eine völlige Stillegung des angegriffenen (erkrankten) Teils jener Lunge zu erreichen. Dieser chirurgische Eingriff war nötig, wenn Verwachsungen am Brustfell einen erfolgreichen Pneumothorax unmöglich machten. Die Sterblichkeitsquote bei Thorakoplastiken war so gut wie Null.
    Phrenikotomie – Durchschneiden oder Zerstörung des Zwerchfellnerves auf einer Seite, wodurch die entgegengesetzte Seite des Zwerchfells hochgestellt und der untere Teil der Lunge auf dieser Seite zusammengedrückt wurde.
    Extrapleuraler Pneumothorax – Loslösen des Brustfells von der Brustwand (extrapleurale Pneumolyse), wodurch eine Tasche gebildet wurde für einen Pneumothorax oder das Einfüllen von Öl (Oleothorax). Diese Operation, die keinen vollen Erfolg verspricht, wird jetzt selten gemacht. Die Patienten bezeichneten sie als „Loslösen“ und eine der Schwestern erklärte sie roh als „so was Ähnliches, als wenn ein Fleischer eine Tasche macht, in die er einen Braten stopft“. Der extrapleurale Pneumothorax wurde angewandt, wenn der Fall nicht so kompliziert war, daß sich eine Thorakoplastik rechtfertigte, für eine intrapleurale Pneumolyse jedoch zu viele Verwachsungen bestanden.
    Ein erfolgreiches Stillegen der Lungen, entweder durch Pneumothorax, Thorakoplastik, Phrenikotomie oder Loslösen, begünstigte das Ausruhen des infizierten Lungenteils und erleichterte die Heilung der Krankheit. Da die stillgelegten Lungen unbeweglich waren, heilten sie natürlich schneller als arbeitende Lungen, selbst wenn das Arbeiten durch völlige Bettruhe auf ein Minimum beschränkt war. Wie der Chefarzt erklärt hatte, war das Stillegen einer Lunge so ähnlich wie das Schienen eines gebrochenen Beines.
    Als wir die Lektion über Chirurgie erörteten, wurden wir von Charlie, dem Lagermädchen oder irgendeinem anderen Unheilsboten belehrt, daß Leute mit Tuberkulose keinen Äther vertragen könnten. Ich kann mich noch erinnern, daß ich damals Erkundigungen einzog, welches Betäubungsmittel an Stelle von Äther benutzt würde, und den Eindruck gewann, daß die Ärzte die Patienten einfach k. o. schlügen und ihnen ihre Lungen oder Verwachsungen oder Rippen herausrissen, ohne von einem stärkeren Mittel als Aspirin Gebrauch zu machen.
    Da der Fichtenhain über die besten Ärzte aus der Stadt verfügte, wußte ich, daß dies lächerlich sei, und fragte daher die Oberschwester nach der Anästhesie. Sie erzählte mir, daß für den Pneumothorax, für Phrenikotomie und intrapleurale Pneumolyse Novocain-Injektionen gegeben würden, daß einige Patienten allergisch gegen Novocain seien und sich den Pneumothorax ohne Betäubung machen ließen, daß das Gerücht „Betäubungsmittel gibt’s überhaupt nicht“ sicherlich darauf zurückzuführen sei, und daß für größere chirurgische Eingriffe wie die Thorakoplastik oder das „Loslösen“ odium pentothal und Lachgas benutzt würden.
    Sie sagte, die Thorax-Chirurgie sei eine ganz erstaunliche Leistung und ohne sie wären viele ehemalige Patienten

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