Einsam, zweisam, dreisam
Langeweile und mangels brauchbarer Einsichten, wie er sagt, und arbeitet seit einziger Zeit als Briefträger bei der Post.
«Und beim Postaustragen klaust du die Mercedessterne?»
Das weist Yogi entrüstet zurück. Nein, nein, im Dienst täte er so etwas nicht. Das sei eher so ehrenamtlich. Zur Einschüchterung gefährlicher Dummköpfe.
Nach und nach erfährt Sig, daß Yogi einer Bande angehört, die sich selber Zorro incorporated nennt. Eine Art Fahrradguerilla, die es sich zur Aufgabe gemacht hat, kleine Nadelstiche im System der autoversessenen Umweltzerstörer anzubringen.
Zorro inc. ist so schnell und flexibel, daß sie sich manchmal sogar leisten können, ihre Aktionen anzukündigen und trotzdem der Polizei zu entwischen. Es gibt zwei Arten von Aktionen, legale und illegale. Für die illegalen haben sie schwarze Räder mit Mercedesstern-Trophäen, für die legalen ganz normale mit Kettenschutz und Holland-Lenker.
Eine illegale Aktion ist zum Beispiel, wenn der Bürgermeister Besuch herumführt, den wieseligen Wichtigtuern im Vorbeifahren mal eben die Samsonite Aktenköfferchen aus den Händen zu treten oder beim Weinfest mit Kanistern voller Insektizide die trinkfreudige Menge auf dem Münsterplatz in Verwirrung zu stürzen, indem man die Theken mit dem weißen Zeug besprüht, so daß den Gästen der Durst vergeht.
Legal ist hingegen, einzeln oder in Zweiergruppen an problematischen Kreuzungen auf der Vorfahrt zu bestehen, was allerdings schon in zwei Fällen zu Krankenhausaufenthalten von Mitgliedern der Zorro inc. geführt hat.
«Ganz schön gefährlich», meint Sig, «nützt das denn was?»
«Wichtiger, als daß es nützt, ist, daß man es tut», findet Yogi.
«Was war das denn vorhin für ein illegaler Einsatz?»
«Geheim», sagt Yogi.
«Yogi heißt eigentlich gar nicht Yogi, sondern Kurt», sagt Curd ganz unvermittelt.
Sig hat das Gefühl, Curd liege an einem Themawechsel, deshalb geht er darauf ein: «Wie kommt man denn von Kurt auf Yogi?»
«Ein Kinderwitz», sagt Yogi. «Der hat mir so gut gefallen, daß ich meinen Namen danach geändert habe. Hör zu: Der neue Lehrer fragt die Schüler nach ihren Namen. Der erste, den er aufruft, sagt Sepp). ‹Das heißt doch sicher Josef und nicht Sepp›, sagt der Lehrer und ruft den nächsten auf. Der sagt, er heiße Hannes. ‹Das muß Johannes heißem, sagt der Lehrer. Der dritte, den er aufruft, sagt ‹Achim›. Nun wird der Lehrer etwas ungehalten und schreit: ‹Mein Gott, du heißt Joachim und nicht einfach Achim!)
Der nächste sagt kleinlaut ‹Ich heiße Jokurt›.»
Sig muß lachen.
Curd seufzt in resigniertem Ton: «Kleine Ursachen, große Folgen.
Sig dreht sein leeres Weinglas in den Fingern: «Ich glaub, ich geh mal wieder rein.»
Drinnen hat Andreas Vollenweiders Musik die von Georges Moustaki abgelöst. Andrea stellt in der Küche Gläser auf ein Tablett. Sie lächelt Sig zu, als er sein Glas mit Chablis füllt. Offenbar hat sie ihm verziehen oder, was noch schöner wäre, kann Yupdidudeldidayhey-Hannes auch nicht besonders leiden.
Wie magisch von dem unangenehmen Quartett angezogen, setzt er sich wieder an seinen alten Platz vor dem Regal. Jetzt reden sie offenbar vom Urlaub.
«Die sind so arm », sagt Heike. «Man traut sich kaum zu fotografieren. Aber sie merken doch auch, wenn man kein Neckermann ist. Zu uns waren sie immer ganz freundlich und wollten Geschenke haben.»
«Das kann man sich auch nicht auf Dauer leisten», sagt Renny.
«Aber es war gigantisch!»
Sig stutzt, das ist das erste, was er Markus sagen hört. Auch bei den anderen scheint Markus nicht fürs Reden vorgesehen zu sein, denn sie starren ihn an, als sei was schiefgegangen. Sofort versinkt er wieder in seine Sofaecke, und sein begeisteres Lächeln verliert sich unter den Ponyfransen.
Das Dingdong der Türklingel paßt so nahtlos in die Musik vom Plattenteller, daß Sig es nicht bemerkt hätte, wenn nicht alle plötzlich zur Tür schauen würden. Andrea läßt die beiden Neuankömmlinge herein und stellt sie vor: «Das ist meine Freundin Agnes und ihre Freundin …»
«Regina», sagt Regina und: «Mund zu», als sie Sig fassungslos einen Chio Chip in der Hand zerbröseln sieht.
Nach einem flüchtigen Lächeln in die Runde kommt sie zu ihm und setzt sich neben ihn auf den Boden. Sie schlingt die Arme um die Knie, legt ihr Kinn darauf und sieht ihm erwartungsvoll ins Gesicht.
«Das ist aber kein Trick», krächzt er.
«Aber trifft sich gut.» Sie
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