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Einsam, zweisam, dreisam

Einsam, zweisam, dreisam

Titel: Einsam, zweisam, dreisam Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thommie Bayer
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Luft vor, die sie dann abwechselnd fixieren. Es müssen mehrere sein, sonst wirkt es nicht natürlich. Die Stellen müssen etwas über Augenhöhe liegen, das gibt den Männern Gelegenheit, das berückende Antlitz und die atemberaubende Figur der schönen Frau zu studieren.
    Das direkte In-die-Augen-Sehen schaltet die Glotzlust aus. jedenfalls bei den meisten. Die wenigen ganz frechen, die dann erst recht losplustern, kann man mit den üblichen Tricks abwimmeln: Man ohrfeigt sie oder schüttet ihnen ein Getränk ins Gesicht. Man nennt sie einen Schleimer oder zieht die Überdimensionalität ihres Penis in Zweifel.
    Der dritte Schritt besteht nur noch aus Kleinigkeiten: Man verändert ein paar Accessoires, das ist alles. Flache Schuhe, eine Brille, Spangen im Haar, gedeckte Farben, weite Pullover, vielleicht ab und zu eine Einkaufstasche mit langem Bügel überm Arm …
    Fertig ist die entschönerte Frau.
    Regina war mit dieser Verwandlung derart erfolgreich, daß es schien, als wäre sie von einem Tag zum andern von der Bildfläche verschwunden. Irgendwann sprach sie sogar einer ihrer Verehrer an, ob sie nicht Regina gesehen habe, sie sei doch, glaube er, mit ihr befreundet oder so.
    Dem klatschte sie allerdings ihre halbaufgegessene Stehpizza aufs Ohr und korrigierte noch ein bißchen, indem sie wieder hohe Schuhe anzog.
    Nun hatte sie erst mal Ruhe. Sie hatte einige Männer gehabt. Sogar schon mal zwei gleichzeitig, aber das war nichts. Die neutralisierten sich. Am nächsten Tag beschimpften sie einander noch als Sau, obwohl sie beste Freunde gewesen waren.
    All das war nett gewesen. Sie empfand es nicht als vertane Zeit. Aber Ruhe davor zu haben, war ihr lieber. Sie war mit sich selber zufrieden. Und das manchmal dreimal am Tag.
    Irgendwann werd ich neu anfangen, ganz von vorn, dachte sie manchmal, denn ihr schien, als habe sie etwas falsch gemacht. Es war nicht gut genug. Es mußte noch besser gehen.
    Als sie durch den Zug schlenderte und Sig da sitzen sah in seiner papageienbunten Aufmachung, gefiel er ihr gleich so gut, daß die Lust auf einen Mann wieder in ihr erwachte. Dieses Kindergesicht mit der scharfen Nase und dem weichen Mund hatte so was Zartes und aus dem Nest Gefallenes, daß sie sich schnell entschlossen setzte, um ihn in Ruhe anzusehen. Er hatte ja die Augen zu.
    Sie nahm die Brille ab, zog eine Spange aus ihrem Haar und nahm die Schultern zurück. Sie ließ ein Stückchen von der Einzugstiefe ihrer Schönheit nach.
    Krieg nicht so bald Schnupfen, dachte sie, als er die Augen aufschlug.
    Regina ist kein Opfer der OEF . Sie fühlt sich wohl in ihrer eigenen Haut. Sie ist gern da, wo sie ist, und kennt sogar die Adresse des Himmels. Sie hat es gut. Daß auch sie mit der Welt nicht ganz klarkommt, liegt nicht an ihr. Es liegt an der Welt. Es liegt daran, daß die OEF in den Jahrhunderten, die sie ungestört mit Vertauschen verbringen konnte, ganze Arbeit geleistet hat. So viele Dislozierte wurden Künstler, Politiker, Philosophen und Erfinder, daß die Umgebung sich nach ihnen formte. Die Welt wurde von so vielen Inkompatiblen geprägt, daß die Kompatiblen am Ende auch nicht mehr paßten. Irgendwann gab es zu viele Schlüssel für gar kein Schloß. Ja sogar für nicht mal eine Tür.
    Die Frage nach dem Sinn des Lebens hätte sich der Menschheit nie gestellt, wären nicht so viele OEF -Opfer durch den Unsinn, den sie machten, aufgefallen.
    Insofern könnten Stavros, Jorgos, Mikis, Voula und all die anderen unerschrockenen Kämpfer für eine freie griechisch-polytheistische Himmelsregierung mit ihrer Arbeit zufrieden sein. Nichts paßt mehr zusammen. MacDonalds paßt nicht so recht ins Stadtbild, Zorro inc. paßt nicht so recht in die moderne Welt, der Bundeskanzler paßt kaum in seinen Dienstwagen, ein Taxifahrer sieht rot, ein Schwuler verliebt sich in einen Hetero, die Filme spielen alle im Ausland, und der Schlüssel paßt nicht ins Schloß … Hoppla, das kann er ja gar nicht. Ist das falsche Stockwerk.
    Seit die hier dasselbe Plakat wie oben hängen haben, irrt sich Regina schon zum drittenmal in der Tür. Mist.
    So schön ist die Wolkentaube von Magritte auch wieder nicht, daß sie gleich mehrfach im Haus hängen muß. «Beendet das Wettrüsten». Sowieso blöd. Hier im Haus rüstet niemand. Und der Verteidigungsminister kommt auch nicht zu Besuch.
    Regina ist patschnaß. Die paar hundert Meter vom Gottlieb-Markt nach Hause haben gereicht, sie total zu durchnässen.
    Sie geht ins Bad und dreht

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