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Einsam, zweisam, dreisam

Einsam, zweisam, dreisam

Titel: Einsam, zweisam, dreisam Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thommie Bayer
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so.» Sie wirft Mantel und Tasche auf einen Stuhl und setzt sich. «Hast du noch nichts bestellt?»
    «Die Bedienung macht sich nichts aus mir.»
    «Um so besser, gehn wir woandershin.»
    Sie nimmt den Mantel wieder über den Arm, zieht Sig vom Stuhl, greift nach seinen Zigaretten und steckt sie ihm in die Brusttasche. Dann schlägt sie ihm den Kragen seiner Jacke hoch.
    «So», sagt sie mütterlich, «verwegen», und schiebt ihn vor sich her.
    «Wohin gehn wir?» Er scheint nicht ganz mit ihrem Tempo mitzukommen.
    «In ein hübscheres Café. Ich hab ’n Bärenhunger.»
    Es geht in Richtung Bahnhof, das erkennt er. Als sie über eine hübsche Eisenbrücke gehen, sagt Regina: «Es gibt ’ne gute Nachricht.»
    «Gute Nachricht, was für eine?»
    «Später. Ich bin der Zeremonienmeister.»
    Regina ist glücklich. Auf der Brücke hat sie seine Hand genommen und läßt jetzt nicht mehr los. Vorsichtig, ohne selbst zu fassen, liegt die Hand in ihrer. Er will ihr den Rückweg offenlassen. Sie läßt sich nicht durcheinanderbringen von der Leichtigkeit dieser Hand, hält einfach unbekümmert fest.
    «Mußt du heute noch was tun? Ich meine, eine Galerie besuchen oder so.» Sie sieht ihn nicht an. Er soll sich von seiner Schüchternheit erholen.
    «Nein», sagt er.
    «Dann haben wir den ganzen Tag.»
    Er antwortet nichts, aber seine Hand wird noch etwas leichter. Offenbar bringt sie ihn aus der Fassung. Gut so. Aus der Fassung gefällt er ihr am besten.
    «Hier sind wir», sagt sie. «Café Einstein.»
    Der Windfang hängt voller Plakate. Im Café stehen Sperrmüllmöbel. Die Wände sind voll mit alten Bildern, und der vordere Raum wird beherrscht von einer chromblitzenden Fünfziger-Jahre-Theke, die wie eine Barriere vor die Küche gebaut ist. Es sieht aus, als wäre ein intergalaktischer Omnibus in den Raum gefahren und hätte seinen Kühler vergessen.
    Es gibt drei Sorten Besucher hier: Jugendliche, Berufsjugendliche und ewig Jugendliche. Die letzten freilaufenden Parkas haben hier ein Reservat und existieren co mit älteren Lederjacken. Man sieht Pullover mit Häuschen und Wölkchen und Schäfchen drauf, Ponchos und Westen aus Opas Kleiderschrank.
    Die Mädchen tragen Granatschmuck, die Frauen Zebra- und Leopardenhosen. Den Jungs wachsen die Haare so lang wie der Bart noch nicht will, den Männern die Bärte, wie das Haupthaar nicht mehr kann.
    «Ich bin falsch angezogen», sagt Sig.
    Er wünschte, die Bügelfalte wäre wenigstens schon ausgebeult. Er kommt sich wie eine Barbiepuppe vor. So neugekauft und abgeschleckt.
    Regina zieht ihn weiter in eine Art überdachten Lichthof voller Grünpflanzen. Von der gläsernen Decke hängen Modellflugzeuge. Sie setzen sich auf eine Bank an der Wand.
    Den ganzen Weg über hat Sig geschwiegen. Er mußte aufpassen, daß seine Schritte nicht einsanken, auf der Wolke, die sich inzwischen von seinem Kopf auch in die Umgebung und unter seine Füße ausgebreitet hat. Seine Hand ließ er so leicht, weil er, ganz auf Fühlen eingestellt, nichts versäumen wollte von ihrem Griff. Jetzt ist die Hand pelzig und einsam. Er dreht sie vor den Augen hin und her, als frage er sich, woher das nutzlose Ding komme, wofür es gut sei und wo er es einstweilen deponieren könne.
    «Was ist?»
    «Ich glaube die Hand ist gestorben. Elektroschock.»
    Sie lacht: «Die kriegen wir schon wieder hin.»
    Der Kellner kommt.
    Regina bestellt Müsli, Milchkaffee und Orangensaft. Sig nimmt Bacon and Eggs mit schwarzem Kaffee. Aus den Lautsprechern plätschert «Jessica». Sie schweigen.
    Komisch, denkt Sig, sonst ist mir Schweigen peinlich. Ich habe meistens Angst davor. Aber jetzt ist eine Ruhe um meinen Mund, die paßt nicht zu der Aufregung im Kopf.
    Auch Regina scheint sich ohne Nervosität in den Gesprächspausen einzurichten.
    Bevor sie sich noch entschließen kann, den Löffel in die Hand zu nehmen, hat Sig schon sein ganzes Frühstück verputzt.
    Später bezahlt sie für beide. «Ich hab heute was zu feiern, deshalb lad ich dich ein.»
    «Feiern? Was?»
    «Erklär ich dir vielleicht später. Laß uns gehn.»
    «Und wohin?»
    «Siehst du dann schon. Komm einfach.»
    Am Bahnhof steigen sie in eine Straßenbahn. Der Waggon glitzert und strahlt, als wäre er neu für sie gemacht worden. Die Aprilsonne bricht sich in Griffen, Chromleisten und Glas. Sie sind die einzigen Fahrgäste.
    Freiburg ist eine schöne Stadt. Durch Wohnviertel mit Alleen und langen Reihen wunderbarer Jugendstilhäuser kommen sie auf ein

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