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Einsam, zweisam, dreisam

Einsam, zweisam, dreisam

Titel: Einsam, zweisam, dreisam Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thommie Bayer
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den Hahn auf. Dann geht sie in die Küche und packt zwei Grapefruits, einen Marmorkuchen, Nescafé und eine Dose Ravioli aus der Tüte.
    Aus Sonnis Zimmer kommt Musik. Keith Jarrett, The Cöln Concert. In den anderen Zimmern scheint niemand zu sein. Manchmal laufen drei verschiedene Musiken gleichzeitig, und niemanden außer Regina macht es krank.
    An der Badetür dreht sie das Pappschild auf «Besetzt», stellt den Kaffee, den Aschenbecher und die Zigaretten auf die breitesten Stellen des Wannenrandes, zieht sich die nassen Kleider vom Körper und streckt sich seufzend im warmen Wasser aus.
    Sie schließt die Augen und denkt an Sig.
    Er ist süß. So zart und so durcheinander. Manchmal scheint es ihr, als überlege er im Moment des Sprechens, ob er nicht was ganz anderes sagen müßte. Zwar versucht er auch anzugeben, wie alle, aber er hält sich nicht für großartig. Er versucht es mit Frechheiten, die ihm nicht so ganz gelingen. Das gefällt ihr. Es ist amüsant. Auch sieht er sie nicht an wie ein Hund sein Chappi. Er trieft nicht aus den Lefzen, wie all die anderen Wölfe, die sie schon reißen wollten.
    Das einzige, worum er kämpft, ist das letzte Wort. Erfolglos. Ich fang mit ihm von vorne an, denkt sie und spürt, wie ihre Hand im Schoß an die Himmelspforte klopft.
    «Herein», sagt ein silbernes Stimmchen irgendwo tief in ihr drin. Das wird aber ignoriert, denn im Himmel ist das Klopfen schon der Eintritt. Man darf nur nicht zu früh damit aufhören. Irgendwann verzischt die Zigarette im Badewasser, aber Regina achtet nicht darauf.
    Sie liegt träumend im Wasser, als plötzlich die Tür aufgeht. Da steht ein Typ, den sie nicht kennt, mit Koteletten, kariertem Hemd, einem silbernen Adler als Gürtelschnalle und Cowboystiefeln. Und glotzt.
    Und sagt «Entschuldigung»
    Und glotzt weiter.
    Regina bewegt sich nicht. Ganz offen liegt sie da, als ginge die Erscheinung vom Ignorieren weg. Tut sie aber nicht. Sie glotzt.
    Regina sagt freundlich: «Wie wär’s, willst du nicht ’n Fotoapparat holen?»
    Jetzt glotzt er wenigstens in ihr Gesicht. Immerhin. Aber sonst tut sich nichts.
    Sie schreit: «Raus!»
    Da wacht er endlich aus der Hypnose auf und–husch–ist er weg. Das muß ein Traum gewesen sein. Wenn auch ein böser. Allein schon die Aufmachung. So was gibt’s doch heute gar nicht mehr. Wenige Minuten später klopft es zaghaft an die Tür: «Gina, bist du’s?»
    Es ist Sonnis Stimme. Sonni heißt Sonja.
    « Re gina. Ich heiße nicht Gina.»
    «Ja, ja. Kann ich reinkommen?»
    «Bitte.»
    Sonni ist im Bademantel, also war der Typ kein Traum. Sie schließt die Tür. «Ich muß pinkeln, darf ich?»
    «Bitte.»
    Das ist die unangenehme Seite dieser schönen Altbauwohnung. Regina liebt es, lang zu baden, aber meist wird ihr der Spaß verdorben. Als sich Sonni auf die Brille setzt, steht Regina auf und wäscht sich.
    «Entschuldige», sagt Sonni, «er kennt sich hier nicht aus.»
    «Ein paar Manieren mehr kann er schon noch gebrauchen.»
    «Ach, sei doch nicht so. Er mußte halt pinkeln.»
    Mußte? denkt Regina. Wenn er nicht den Mut gehabt hat, aus dem Fenster zu pinkeln, dann eß ich hier keinen Salat mehr. Pfui Teufel.
    Sie geht in ihr Zimmer, ohne den Aschenbecher und die Tasse wegzuräumen. Die Zigaretten nimmt sie mit.
    Sie schlüpft ins Bett und mummelt sich tief in die Decke. Heute ist kein Tag, um auf den Beinen zu stehn. Das hat sie schon heute morgen gemerkt, als sie die Butterdose im Abfalleimer entdeckte. Ein Geschenk von Marius’ Mutter. Was die Nähe des Abfalleimers zum Kühlschrank sie schon Lebensmittel gekostet hat, ist gar nicht zu zählen.
    Ein Tag, um überfällige Bücher in die UB zurückzubringen.
    Sie blättert ein bißchen in den Wahlverwandtschaften. Liest nur so rum. Mal hier eine Seite, mal dort einen Satz. Dann läßt sie das Buch auf die Bettdecke fallen und träumt weiter. Ganz neu anfangen. Ganz von vorn. Oder besser doch nicht von ganz vorn. Das muß nicht sein.
    Gegen drei Uhr nachts wacht sie auf, weil ein Schaufelradbagger in ihrem Magen herumwühlt. Sie geht in die Küche und macht die Ravioli warm. Ganz leise. Gegenüber der Küche liegt Sonnis Zimmer, und falls Wyatt-Earp noch da ist, will sie ihn nicht auf sich aufmerksam machen. Aber sicher ist er nicht über Nacht geblieben. Solche Typen reiten los, wenn die Sonne sinkt.
    Ob solche Typen dann in Schweden gar nicht vorkommen? Da läßt Petrus im Sommer den Finger vom Dimmer, und es bleibt hell die ganze Nacht.

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