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Einsam, zweisam, dreisam

Einsam, zweisam, dreisam

Titel: Einsam, zweisam, dreisam Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thommie Bayer
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Seelen nicht besonders.
    Deshalb stört ihn auch die OEF nicht. Im Gegenteil. Ein bißchen Abwechslung hier und da ist ganz nett, und wenn die Griechen diesen aufgeblasenen Schnöseln von der Exekutiven Ökumene ordentlich eins auswischen, dann ist ihm das nur recht.
    Ich bin On-Line, sagt Gott manchmal, was soviel heißt wie, ich bin auf Draht. Oder mir kann keiner.

R eginas Vater war ein Geräusch. Ein lautes, prustendes Schneuzgeräusch, das nachts aus Mamas Zimmer kam. Er war offenbar immer verschnupft. Und irgendwann war dieses Schneuzgeräusch nicht mehr da. Nun hätte die kleine Regina im Zimmer nebenan eigentlich besser schlafen müssen. Wäre da nicht fortan dieses Schluchzgeräusch gewesen.
    Später entdeckte sie im Fotoalbum das Bild eines Mannes mit dunklen Haaren, birnenförmigem Gesicht und dicken, gewölbten Augen. Das konnte sie ihrer Erinnerung anfügen.
    So war die Erinnerung wenigstens nicht nur akustisch. Er sieht nett aus, dachte sie, klingt aber scheußlich. Sie war fünf, als es hieß, Papa sei verreist. Für ganz, ganz lang. Hätte sich das Schneuzen nicht in ein Schluchzen verwandelt, ihr wäre nichts aufgefallen. Nichts war anders.
    Nachts, wenn sie schlafen sollte, war Papa Majordomus in einer feinen Nachtbar. So was ähnliches wie ein Koch, sagte die Mutter, damit Regina es überhaupt verstand. Tags, wenn sie spielte, schlief er, und es war verboten, auf ihm herumzuhopsen oder sonstwas mit ihm anzufangen. Abends, wenn sie zu Bett gehen mußte, las er Zeitung. Seine Finger, die die Zeitung vor sein Gesicht hielten, kannte sie vielleicht außer der laufenden Nase noch am besten.
    Er hatte nie frei, außer, wenn sie bei der Oma war. Als er weg war, fiel es ihr nicht im Traum ein, ihn zu vermissen. Oder höchstens im Traum.
    Mit sieben fing sie an, ihre Klassenkameradinnen um deren Väter zu beneiden, denn sie kam sich selber irgendwie schlecht ausgerüstet vor. Es war so ähnlich, wie keine Schultüte zu haben oder bloß ein Fahrrad mit Stützrädern. Alle konnten einen auslachen. Sie fragte ihre Mutter, ob Papa tot sei.
    Die Mutter fand, das Kind sei mit sieben reif für die echten, wenn auch nicht so schönen Wahrheiten des Lebens und sagte: «Er ist abgehauen, fortgegangen, nach Amerika.»
    «Ist das so ähnlich wie tot?»
    Regina wollte selbstverständlich lieber einen toten als einen fortgelaufenen Papa. Wenn er tot ist, kann man nichts dafür, und die anderen müssen einen zu Kakao und Kuchen einladen und trösten und dürfen einen nicht auslachen. So war es wenigstens in einem Film, den es im Fernsehen gegeben hatte.
    Nun hielt die Mutter ihr Kind wohl ein bißchen zu sehr für reif, denn sie sagte: «Es ist ganz ähnlich, mein Schatz, fast dasselbe.»
    Mit dieser eher poetischen Antwort, die sie auch noch mit einem Schluchzer unterstrich, machte die Mutter einen Fehler, denn sie rechnete nicht damit, bei Regina eine etwas verschrobene Vorstellung vom Sterben zu erzeugen.
    Und von Amerika.
    Regina war ein logisches Kind und dachte, wenn Sterben schon ganz ähnlich ist wie in Amerika sein, dann ist der Unterschied bloß geographisch. Und suchte auf der Landkarte nach dem Himmel.
    Daß man ziemlich gleich nach dem Sterben in den Himmel kommt, wußte sie aus dem Religionsunterricht. Also mußte der Himmel irgendwo zwischen dem zwanzigsten und hundertfünfzigsten Längengrad liegen.
    Das stellte sich später als Irrtum heraus.
    Es war auch nicht so wichtig, denn daß die Verhältnisse geklärt waren, daß man wußte, ob einen die andern auslachen dürfen oder zum Kuchen einladen müssen, war die Hauptsache.
    Später fand Regina dann doch noch die Stelle, wo der Himmel ist. Oder besser, die Stellen.
    Im Religionsunterricht hieß es nämlich auch, daß der Himmel wunder-, wunderschön sei. Es gab zwei Stellen, an denen es wunder-, wunderschön war. Die eine Stelle war das Kinn ihres Katers Charlie, das sie so oft küßte und knuddelte, daß mit den Jahren dort ein kahler Fleck entstand, und die andere war auf der Schallplatte, wo sie singen: Es war Winter in Kanada, Winter in Kaha-na-daa.
    Da blieb er aber nicht lang. Nachdem Charlies Kinn kahl war und die Schallplatte verkratzt, war auch der Himmel abgenutzt. Immerhin hatte sie bei ihrem ersten, geographischen, Versuch gar nicht so schiefgelegen, denn Kanada liegt ganz nah bei Amerika. Aber offenbar war der Himmel immer in Bewegung.
    Eine Zeitlang war er ganz weg, dann fand sie ihn wieder. Jetzt war er an vier Stellen. Hatte sich

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