Einsame Spur (German Edition)
und fragte: »Was ist los, mein großer, böser Wolf?« Riley zögerte nie. Er war still, aber so wenig aufzuhalten wie eine Dampfwalze. Die kleine, unterwürfige Wölfin, die er im Sinn gehabt hatte, wäre längst jämmerlich zugrunde gegangen – Mercy hatte ihm diese Geschmacksverirrung verziehen, ärgerte ihn jedoch gerne dann und wann damit.
Aber nicht heute, da er so ernst und besorgt aussah.
»Du bist so liebenswürdig«, sagte er, nicht mehr zögernd, sondern leicht gereizt. »Ich warte immer auf ein Fauchen oder einen Krallenhieb, und stattdessen streichelst du mich.«
Leise lachend drückte sie sich an ihn. »Ach, Riley.« So fest und stark, er war ihr sicherer Hafen im Sturm. Ganz egal, was auch passierte, sie konnte immer zu Riley kommen, seine Liebe war so unverrückbar wie die Berge um sie herum. »Ich weiß doch, was es dir ausmacht, dass ich so verletzlich bin.«
Dass sie ein Kind – Kinder – in sich trug, hatte auch zur Folge, dass sie weniger schnell und tödlich war, denn sie würde ihre Jungen nicht in Gefahr bringen. Deshalb hatte sie sich auch für Routinepatrouillen einteilen lassen. »Ich weiß es doch.« Sanft drückte sie mit den Krallen seine Schultern und flüsterte an seinen Lippen: »Ich bin nicht sauer, wenn du nach mir siehst.« Sein tiefes Bedürfnis, für sie zu sorgen und sie zu beschützen, schimmerte in jeder Faser des Paarungsbands. So war Riley nun einmal, und gerade deshalb liebte sie ihn.
»Ganz ehrlich?«, fragte er und legte ihr die Hand auf den Nacken.
»Ganz ehrlich.« Besiegelt mit einem Kuss. »Bleibst du hier bei mir?«
Er nickte unbeholfen. »Hab mich selbst für eine Wache eingeteilt. Ist zwar unnötig, aber wir sind genügend Leute, sodass es keinem auffallen wird.«
Riley hatte sich wirklich eine kleine Auszeit verdient, dachte Mercy. Er war auch für das SnowDancer-Rudel der Fels in der Brandung, und das schon ebenso lange, wie Hawke der Leitwolf war. »Komm. Wir schlendern kurz am Pier entlang – Zach wird die Wache für mich übernehmen.« Ihr Partner hielt sich in diskretem Abstand auf der anderen Straßenseite.
Riley lachte. Auf der ganzen weiten Welt hörte sie nichts lieber.
60
»Wie erwartet, stehen die Anker in Kalifornien jetzt unter schärfster Bewachung«, teilte Vasquez dem Mann in dem sterilen Raum mit.
»Kommen wir an sie heran?«
»Ja, aber damit würden wir unseren Hauptagenten in Gefahr bringen.« Zu spät war Vasquez aufgegangen, dass er zum Anschlag auf Cape Dorset nicht freies Licht hätte geben sollen. »Wir sollten den nächsten Schlag nicht in San Francisco führen, sondern an einem anderen wichtigen Ort mit ebenso großen Auswirkungen.«
»Wir sind doch keine kopflosen Anarchisten«, war die kratzige Antwort. »Die Bevölkerung muss begreifen, dass wir einen Grund für unsere Taten haben. Wir wollen das Medialnet von jenen befreien, die Silentium nicht bewahren können.«
»Das Risiko ist sehr hoch. Nikita und Anthony haben die Unterstützung der Gestaltwandler.«
»Was nur zeigt, wie schwach sie sind.« Das sah Vasquez auch so. »Es ist an der Zeit, dass wir ihnen das zeigen. San Francisco bleibt unser Ziel.«
Alles, was er in seiner Ausbildung gelernt hatte, sagte Vasquez, dass sie einen Fehler machten, doch Henry hatte in einem Punkt recht: Gewalt allein brachte sie nicht ans Ziel. Ihre Nachricht musste auch ankommen. »Ich werde mit den Vorbereitungen anfangen.« Ausführliche Erkundungen und außergewöhnliche Geduld würden vonnöten sein, aber Vasquez hatte noch nie versagt.
61
Adria war ganz gut damit zurechtgekommen. Sie hatte Riaz nicht nach dem Treffen mit Lisette gefragt, hatte nicht die unausgesprochenen Dinge hin- und hergewendet, die zwischen ihnen im Argen lagen, denn das hätte die Wunden nur noch tiefer aufgerissen. Stattdessen hatte sie beschlossen, das zarte, leidenschaftliche Band zwischen ihnen liebevoll zu pflegen, sich in seiner wilden Zuneigung zu sonnen und sich nicht auf das Paarungsband zu fixieren, das sie nie miteinander verbinden würde. Deshalb war ihr auch nicht ganz klar, warum ausgerechnet sie nun allein neben der Frau saß, die es ihr unmöglich machte, an etwas anderes zu denken.
»Vielen herzlichen Dank«, sagte Lisette und schloss ihren Sicherheitsgurt. »Ich hatte gar nicht an eine Mitfahrgelegenheit gedacht.«
»Ist schon in Ordnung.« Adria hatte im Hauptquartier der Leoparden ein paar Papiere für Hawke abgegeben und war auf dem Rückweg zum Wagen Lisette begegnet, die aus
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