Einsame Spur (German Edition)
wie wichtig es war. Er stand auf, stellte den Stuhl zurück und wollte das Zimmer gerade verlassen, als sie noch etwas sagte.
»Das Einzige, woran ich mich vor Ihnen erinnere«, flüsterte sie, »ist Traurigkeit, unendliche Traurigkeit. Mein Herz zerriss, bis die ganze Welt nur noch aus Schmerz bestand. Zaid … Zaid war da.«
Vier Stunden nachdem sie Lisette abgesetzt hatte, betrat Adria wieder die Höhle und hätte sich vielleicht die Zeit genommen, einen Hoffnungsschimmer zu finden, der sie aus dem Dunkel herausführte, doch Riaz kam direkt auf sie zu, und damit war die Zeit abgelaufen.
Riaz lächelte über das ganze Gesicht. »Hallo, Kaiserin.«
»Hallo, du.« Sie flog in seine Arme und ließ sich ein letztes Mal von seiner Stärke und Wärme umfangen. »Können wir kurz miteinander reden?«
»Ein paar Minuten habe ich Zeit«, sagte er und schlang sich das Ende ihres Zopfs um die Hand, wie er es immer tat. »Ich bin auf dem Weg zu Hawke, um über die BlackSea-Gemeinschaft zu sprechen.«
»Gibt es Probleme?« Was für eine alltägliche Frage. Solche Nähe würde sie nie wieder spüren. Bei ihrer nächsten Begegnung würden sie Soldatin und Offizier sein, nicht Geliebte, die Freunde geworden waren … und mehr als das.
»Nein.« Sie spürte, wie seine Brust vibrierte. »Es geht nur darum, eine dauerhafte Kommunikation herzustellen. Kenji soll der Verbindungsmann sein, da ich schon die Verbindung zum Menschenbund halte.«
Ein scharfer Stich ins Herz. Vielleicht sollten sie es lieber gleich hier hinter sich bringen. Hinter geschlossenen Türen würde er kämpfen, und dann würde sie eventuell nachgeben. Doch auf dem Flur, wo Gefährten an ihnen vorübergingen und der Ausgang nicht weit war, fühlte sie sich seltsam geschützt vor ihrer Schwäche ihm gegenüber.
Sie lehnte sich nach hinten, bis sie seine Augen sah. »Ich habe Lisette getroffen – sie hat mir erzählt, dass ihr Mann und sie sich scheiden lassen.«
Auf seinem Gesicht zeigte sich keine Überraschung, nur die Entschlossenheit eines Mannes, der seinen eigenen Weg gehen wollte. »Das ändert nichts, zwischen uns ändert sich nichts.«
»Das ändert alles.« Ihre Stimme war ein heiseres Flüstern, sie trat einen Schritt zurück, löste sich aus seinen Armen.
Das gefiel ihm nicht – die goldenen Wolfsaugen blitzten verärgert auf.
Selbst das Atmen tat weh, sie schüttelte den Kopf. »Erzähl mir nicht, dass du dich nicht gefragt hast, ob –«
»Hab ich auch nicht, verdammt noch mal!« Er packte ihre Oberarme und hielt sie fest, der Zorn in seiner Stimme war unüberhörbar. »Ich habe meine Wahl getroffen, habe dich gewählt. Mach das bloß nicht. Zerstör es nicht!«
Es war verführerisch, jetzt einfach nachzugeben, doch sie wusste genau, der Gedanke an die Gefährtin würde für immer zwischen ihnen stehen, auch wenn sie sich noch sosehr vom Gegenteil zu überzeugen versuchte. Doch … sich selbst zu opfern, dazu war sie auch nicht bereit. Sie wollte ihn behalten, und wenn er auch bleiben wollte, was sollte daran falsch sein?
Heißer Schmerz versengte sie von innen, die Wölfin heulte tief verletzt auf.
Sie liebte Riaz viel zu sehr, um ihm das Glück vorzuenthalten. »Geh«, flüsterte sie und riss die Worte aus sich heraus. »Werde glücklich.«
Der Schrei eines tödlich verwundeten Tiers stieg in Riaz auf. Er legte die Hand auf ihren Nacken und zog sie an sich. »Nein!« Nur dieses Wort an ihrem Ohr.
Tränen brannten ihr in den Augen, schnürten ihr die Luft ab. Verzweifelt wollte sie ihn festhalten, doch in ihrem Kopf spielte sich ein Albtraum ab: Eines Tages würde sie aufwachen, und er würde sie hassen, wie Martin sie gehasst hatte. Ihr früherer Freund hatte ihre Stärke abgelehnt, doch Riaz hätte einen weit gewichtigeren Grund für seinen Hass.
Nein, das würde sie weder ihm noch sich antun.
Sie war mehr wert. Sie wollte die Erste und Einzige sein. Nicht nur zweite Wahl, die sich diesen unglaublichen Mann eingefangen hatte, als er unter einem Verlust litt, den nur Gestaltwandler nachvollziehen konnten, … und nicht nur die vertraute Freundin, die er nicht verletzen wollte. »Geh«, flüsterte sie wieder und küsste ihn ein letztes Mal auf die Wange. »Sie gehört zu dir. Du brauchst sie, und sie braucht dich.« Sie riss sich los und rannte zum nächsten Ausgang.
Ihre Füße hämmerten auf dem Boden, das Blut pochte ihr wie wild in den Adern, und ihr Herz … zersplitterte in tausend Stücke.
Riaz starrte auf den Ausgang.
Weitere Kostenlose Bücher