Einsame Spur (German Edition)
solle sich eine andere Bleibe suchen, und ihm die Tür vor der Nase zugeschlagen hatte.
»Hast du dir die Zunge abgebissen?« Ein ätzender Kommentar der tiefen männlichen Stimme, bei der sich ihr stets die Nackenhaare aufstellten.
»Beiß dich doch selbst«, grollte sie, denn ihr war überhaupt nicht nach Spielchen zumute. Sie war zu empfindlich, als hätte sie eine Schutzschicht verloren und könnte jederzeit aus der Haut fahren.
»Dich sollte mal jemand beißen«, antwortete Riaz, der ein Knurren nur mühsam unterdrücken konnte. »Und dir dabei gleich den Stock aus dem Hintern ziehen, den du verschluckt hast.«
Adria knurrte vernehmbar in dem Moment, als sie vor der offenen Tür von Hawkes Büro angelangt waren. Der Leitwolf sah auf, als sie eintraten, die blassblauen Augen eines Wolfes in menschlicher Gestalt blickten ihnen fragend entgegen, doch seine Worte waren ganz pragmatisch. »Könnt ihr zwei euch für einen Auftrag freimachen?«
Adria nickte, Riaz ebenfalls. »Um was geht es?«, fragte Riaz nun weit ruhiger.
»Mack ist mit einem Auszubildenden zu einer Routinekontrolle der Wasserstation gefahren«, erklärte Hawke und schob ein paar silbrig goldene Strähnen zurück, die dieselbe Farbe hatten wie sein Fell in Wolfsgestalt. »Ihr Wagen springt nicht an, und sie müssen einige Teile zur Reparatur in die Höhle bringen.«
»Kein Problem«, sagte Riaz. »Ich nehme einen Geländewagen und hole sie.«
Auch Adria war der Meinung, dass die Aufgabe nur einen erforderte, doch Hawke wandte sich jetzt an sie. »Du gehörst zu den Soldatinnen und Soldaten, die die meiste Erfahrung mitbringen.« Hawkes Dominanz forderte Adrias volle Aufmerksamkeit. »Ich möchte, dass du dich wieder mit der Gegend vertraut machst, denn du hast nie längere Zeit in der Höhle verbracht, seit du erwachsen bist.«
Sie nickte. »Ich werde Riley und Eli bitten, mir zwischen meinen Schichten genug Zeit dafür zu lassen.« Das war eine notwendige Zusatzaufgabe – sie stand in der Hierarchie nur knapp unter den Offizieren, und ranghohen Soldaten wurden oft Führungsaufgaben übertragen. Dafür mussten sie jeden Zentimeter des Territoriums kennen, nicht nur den Abschnitt, für den sie im Kampf eingeteilt wurden. »Am besten mache ich das zu Fuß.« So würde sie mehr sehen und wittern.
»Um Einzelheiten kannst du dich später kümmern. Ich möchte, dass du dir sobald wie möglich ein ausreichendes Wissen aneignest.« Er reichte ihr eine dünne Plastikkarte. »Die Fahrt zur Wasserstation führt durch mehrere wichtige Abschnitte – du bist ja als Automechanikerin ausgebildet, oder liege ich da falsch?«
»Das ist richtig.« In der zusätzlichen Ausbildung, die alle weiblichen und männlichen Soldaten ableisten mussten, hatte sie ihr Interesse für diesen Bereich entdeckt. Später hatte ihr die Fähigkeit, Dinge zu reparieren, geholfen, bei Verstand zu bleiben. »Ich werde mir das Fahrzeug ansehen.«
»Was ist mit der Aufforstung?«, fragte Riaz, seine Stimme kratzte über ihre Haut wie Fingernägel auf den altmodischen Schreibtafeln, auf denen die Jungen so gerne zeichneten. »Ist Felix’ Team genügend abgesichert?«
»Alles in Ordnung.« Hawke trat zu der großen Karte an der Wand und tippte auf die mit einem Kreuz gekennzeichnete Stelle, an der die Schlacht mit den Makellosen Medialen stattgefunden hatte. »Die Freiwilligen und freiwillig Verpflichteten –«, scharfe Reißzähne blitzten bei einem wölfischen Grinsen auf, »– forsten das Gebiet mit schnell wachsenden heimischen Gewächsen auf. Noch ist es dort allerdings so leer, dass die Überwachung nicht schwer ist, vor allem, da auch die Raubkatzen einen Teil der Wachen übernehmen.«
Adria fielen die Szenen auf dem Schlachtfeld ein, die Schreie der verwundeten Wölfe, die kalten, tödlichen Flammen. Welchen Preis hatte die junge Mediale wohl dafür zahlen müssen, die eine solche Macht in sich barg – und das Herz des Leitwolfs erobert hatte. »Wie wahrscheinlich ist ein weiterer ernsthafter Angriff der Makellosen Medialen?«, fragte sie, noch fasziniert von dieser Beziehung, die nach außen so ungleich wirkte, obwohl die Wölfin in ihr spürte, dass sie so fest und unerschütterlich wie die Felsmauern der Höhle war.
Riaz war derjenige, der antwortete: »Judds Quellen zufolge mehr als unwahrscheinlich. Die haben ganz andere Probleme.«
»Ein Bürgerkrieg im Medialnet steht möglicherweise bevor«, sagte Hawke und schüttelte den Kopf. »Wenn Judd recht behält,
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