Einsame Spur (German Edition)
sondern auch zutiefst betrogen. Und das Schlimmste dabei war, dass die heiße Begegnung mit Adria ihn jedes Mal aufs Neue erregte, sobald er daran dachte, und sich alles in ihm vor rasendem Begehren zusammenzog.
»Mein Vater war ein einsamer Wolf«, sagte Hawke, als sie unter einer turmhohen Kiefer durchfuhren, deren Stamm die Spuren vieler Krallen trug.
Riaz schlang die Arme um die Knie und sah weiter auf den Waldweg vor sich, die Bäume waren nur noch fahle Schatten im schwindenden Licht. »Weiß ich.« Der ein Jahr ältere Riaz war gerade Teenager geworden, als Hawkes Vater bei den blutigen Unruhen getötet worden war.
Selbst in diesen jungen Jahren hatte Hawke schon gezeigt, dass er im Mittelpunkt des Rudellebens stehen wollte, während Riaz lieber allein durch die Berge gestreift war. Trotz aller Unterschiede waren sie dennoch gut miteinander ausgekommen. Ein Teil von Riaz hatte in dem jungen Hawke stets den Mann gesehen, der er einmal werden würde. Und als das Rudel fast in einer Hölle von Schmerz und Gewalt zusammengebrochen war, hatte sich Riaz entschlossen, an der Seite des Jungen zu bleiben, statt seinen eigenen Weg zu gehen, wie so viele andere einsame Wölfe es taten.
»Deshalb kann ich sie auch besser verstehen als die meisten«, fuhr Hawke fort.
»Dein Vater hatte eine Gefährtin.« Nur das konnte die tiefe Sehnsucht eines einsamen Wolfes nach Alleinsein beenden – und in eine Hingabe verwandeln, die sie noch besitzergreifender machte als all ihre Brüder. Manche behaupteten sogar, solche Wölfe suchten nur ihr Leben lang nach diesem einen Leitstern, dem sie folgen konnten.
»Er hatte aber Freunde, die keine Gefährtin gefunden haben.« Hawke legte auch seine Arme locker über die Knie. »Ich weiß also, dass auch einsame Wölfe Freunde haben. Bei wem sprichst du dich aus?« Eine sehr direkte Frage. »Coop ist es jedenfalls nicht, sonst würde der dich in den Hintern treten, und ich müsste es nicht tun.«
Riaz umklammerte sein Handgelenk und drückte fest zu, um ruhig zu bleiben. Cooper und er waren zusammen aufgewachsen, hatten gemeinsam Mist gebaut und waren gleichzeitig Offiziere geworden. Cooper kannte ihn besser als jeder andere – Grund genug für Riaz, sich nicht in Coopers Nähe zu wagen. Als Riaz aus Europa zurückgekehrt war, hatte Coop nur deshalb nicht mitbekommen, dass etwas mit ihm nicht stimmte, weil die Werbung um seine Gefährtin Grace ihn so in Beschlag genommen hatte.
Doch er würde nicht zugeben, dass er die Begegnung mit Coop mied. »Seit wann sind wir Mädchen, die ihrer Freundin das Herz ausschütten müssen?«
Die flapsige Antwort beeindruckte Hawke keineswegs. »Wenn du glaubst, mit diesem blödsinnigen Argument durchzukommen, kennst du mich schlecht.« Er sah Riaz scharf an. »Hast du wenigstens deine Familie besucht?«
Riaz’ Eltern waren nach San Diego gezogen. Sie hatten in der Nähe ihrer einzigen Enkeltochter, der dreijährigen Marisol, sein wollen. Die Kleine war die Tochter von Riaz’ jüngerem Bruder Gage. »Fragst du mich das im Ernst?« Riaz knurrte ungläubig. »Natürlich bin ich hin. Gleich nachdem ich im Land war.« Falls er das nicht getan hätte, hätte seine Mutter auf der Matte gestanden, und dann hätte es richtig Ärger gegeben. Mit Abigail Delgado legte man sich besser nicht an.
Hawke stieß ihn mit der Schulter an, als Felix einem überhängenden Holunderstrauch auswich. »Du solltest mal wieder hinfahren.«
Riaz’ Wolf stellte die Nackenhaare auf. Hawke war zwar der Leitwolf, aber Riaz war immerhin Offizier – er verfügte über genügend Kraft und Dominanz, um ihn im Kampf zu verletzen. »Wie kommst du auf den abwegigen Gedanken, du könntest mir in meinem ganz persönlichen Bereich Befehle erteilen?«
Hawke lachte lauthals. »Es ist nicht zu fassen, du erinnerst mich fatalerweise an mich vor ein paar Monaten. Sei nicht so ein Esel, wie ich es damals war.«
Riaz lockerte den Griff um sein Handgelenk. Das Blut floss wieder, es prickelte wie winzige Nadelstiche. Hawke war wahrscheinlich der Einzige im Rudel, der nicht nur verstehen, sondern auch aus Erfahrung wissen würde, was es ihm ausgemacht hatte, Lisette zu verlieren, noch ehe sie ihm gehört hatte. Dennoch … »Ich kann darüber noch nicht reden«, sagte er, jedes Wort war wie eine Stein, an dem er sich blutig rieb.
»Na schön«, antwortete Hawke mit Wolfsstimme. »Aber, weißt du was? Du bist jetzt zu Hause. Das Rudel hält dich an der kurzen Leine – und wir werden
Weitere Kostenlose Bücher