Einsame Spur (German Edition)
Viele hatten ihr zugelächelt, und als frisch gebundene Gefährten waren sie gnadenlosem Spott ausgesetzt gewesen, aber – »Einige fürchten sich vor mir«, flüsterte sie.
Hawke lachte auf. »Baby, vor mir fürchten sich sogar die meisten.« Er küsste sie auf den Nacken. »So ist das nun mal, wenn man im Revier herrscht.«
Am Morgen nach der Auseinandersetzung mit Adria steckte Riaz den Kopf in Hawkes Büro, doch der Leitwolf war nicht da. »Riley«, rief er und eilte dem Offizier hinterher. »Hast du Hawke gesehen?«
»Der ist auf dem Weg zu Felix und seine Leuten.« Riley warf einen Blick auf das kleine Datengerät in seiner Hand. »Hat nicht hinterlassen, wann er wieder zurück sein wird – versuch’s doch auf dem Satellitentelefon.«
»Ich werde lieber runterlaufen und mitarbeiten.« Harte körperliche Arbeit würde ihm guttun. Er war völlig verspannt von der Raserei, die mitten in der Nacht seinen Körper erfasst hatte. Und diesmal hatte ihn nicht Lisettes Anblick verfolgt. Nicht in dieser Nacht.
»Felix meint, die Erde sei genau richtig zum Pflanzen, als sei sie gedüngt worden.« Riley sah ihn durchdringend an. »Er habe so etwas noch nie gesehen, sagt er. Ich vermute mal, das hat niemand von uns.«
Sicher nicht. Nichts hatte je nur annähernd an die tödliche Schönheit von Siennas kaltem Feuer herangereicht. »Sie ist noch sehr jung«, sagte Riaz, der sich nicht nur an die rotgoldenen, alles verzehrenden Flammen erinnerte, sondern auch an die schrecklichen Schreie vorher und das Übelkeit erregenden Geräusch von zersplitternden Knochen, als Wolf um Wolf blutig gefallen war. »Aber jeder, der eine solche Macht hat, verdient meinen Respekt.«
»Dann sieh zu, dass du diese Sicht der Dinge den Gefährten klarmachst, wenn sich die Gelegenheit bietet«, war Rileys unerwartete Antwort.
»Gibt’s Ärger?« Er hatte nichts davon gespürt, aber er stand dem Rudel auch nicht so nahe wie Riley. Der hatte sein Leben hier verbracht, gab den Gefährten, einschließlich Hawke, nicht nur Halt, sondern besaß auch ihr Vertrauen, von den härtesten Soldaten angefangen über die vielbeschäftigten Mütter bis hin zu den Jungen und Alten.
»Nein«, sagte der ranghöhere Offizier jetzt. »Aber in der Schlacht haben die meisten im Rudel zum ersten Mal miterlebt, wozu Judd und Sienna fähig sind. Noch sind alle ganz high von unserem Sieg, aber wenn der Adrenalinspiegel erst einmal sinkt und sie anfangen nachzudenken –«
»– wird ihnen klar werden, wie gefährlich die beiden wirklich sind.« Riaz nickte, er wusste, worauf Riley hinauswollte. »Wir müssen die guten Gefühle festigen, damit alle, sobald sie wieder normal ticken, Judd und Sienna als starke Rudelgefährten sehen können, die Schwache schützen, und nicht als gefährliche Mediale, vor denen sie sich hüten müssen.« Wölfe waren zwar Raubtiere, aber die wenigsten von ihnen waren dominant. Die schwachen Gefährten im Rudel standen den mächtigen Kräften von Sienna und Judd völlig hilflos gegenüber, ebenso wie der telepathischen Gabe von Walker, obwohl die meisten davon nichts wussten.
»Genau.« Riley sprach nur leise. »Vielleicht bin ich ja zu vorsichtig, aber –« Er lächelte entschuldigend. »– deshalb werde ich ja auch so gut bezahlt.«
»Da hast du schon recht. Es ist besser, wir sorgen jetzt dafür, dass alle sich sicher fühlen können, wenn sie den Laurens noch wohlgesinnt und dankbar sind, als später, wenn sich vielleicht Ängste entwickelt haben.« Er würde bald ein paar lockere Gespräche mit bestimmten Leuten führen. »Brauchst du mich heute? Wenn nicht, mache ich mich auf den Weg zu den Pflanzern und schließe mich ihnen an.« Er musste sich dringend körperlich betätigen – war schon ganz kribbelig und hatte die wütende Begierde kaum noch im Griff.
Noch nie war es so schlimm gewesen. Als einsamer Wolf war er Phasen des Alleinseins gewohnt, die andere Rudelgefährten in den Wahnsinn getrieben hätten, und auch ohne Körperkontakt konnte er es noch länger aushalten. Er war schon etwa vier Monate mit keiner Frau mehr zusammen gewesen, als er Lisette vor sechs Monaten getroffen und ihn die Erkenntnis wie ein Fausthieb im Magen getroffen hatte, dass sie seine Gefährtin war.
Verstandesmäßig war ihm schon immer klar gewesen, dass es zwar nicht die Regel war, aber durchaus passieren konnte, dass ein Wolf beim ersten Blick auf eine Frau schon wusste, dass sie ihm gehören sollte, noch bevor er ein einziges Wort mit ihr
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