Einsame Spur (German Edition)
sicher nicht zusehen, wie du dich an ihr erhängst.«
Er sollte abhauen, das Territorium und diesen Leitwolf, der viel zu viel sah, schleunigst verlassen und am allerdringlichsten die Frau, die eine solche Begierde in ihm auslöste, dass er vor Zorn nicht ein noch aus wusste. Doch so schmerzhaft es auch war, er war einfach noch nicht bereit, wieder allein zu sein, was den einsamen Wolf in ihm hart ankam.
Vielleicht hatte Hawke ja recht. Vielleicht sollte er wirklich seine Familie besuchen. Er würde die göttlichen Kochkünste seiner Mutter genießen, seine hübsche Schwägerin ärgern, mit dem Teufelsbraten von einer Nichte spielen, mit seinem Vater und Gage Bier trinken und den Kopf wieder frei bekommen. Denn eines würde er bestimmt nicht tun: sich dem Druck beugen, der Witterung von wilden Beeren auf Eis zu folgen, bis Adria nackt und schweißgebadet unter ihm lag.
Adria umrundete eine Zeder, deren orangerote Borke in der Dunkelheit nur noch grau schimmerte, als Sienna ihr zuwinkte. »Löst du mich ab?«, fragte die junge Frau.
»Ja.« Erneut staunte Adria, wie jung Sienna war, instinktiv wollte sie die Rekrutin ebenso beschützen wie Evie. Aber sie musste akzeptieren, dass die Kardinalenaugen … weit älter und weiser blickten. »Was muss ich wissen?«
»Siehst du den Baum dort?« Sienna zeigte auf eine große Schwarzeiche, deren Krone sich wie ein riesiger Schatten über ihnen wölbte. »Da nistet ein Adlerpaar. Halte dich von ihm fern – ausgeprägtes Revierverhalten.« Sie zog an ihrem Zopf. »Den hätte ich fast verloren, als ich mich zu nah herangewagt habe.«
Adria hatte selbst schon einmal mit einem nistenden Adler zu tun gehabt und wusste, dass Sienna sehr großes Glück gehabt hatte. »Ehe ich es vergesse: Evie hat mich gebeten, dich daran zu erinnern, dass ihr zum Abendessen verabredet seid.« Das war ebenfalls eine Überraschung gewesen. Ihre sanfte Nichte war die beste Freundin einer harten jungen Frau geworden, die von tödlichem Feuer gestählt worden war.
»Ich freue mich schon den ganzen Tag darauf.« Ein vorsichtiges, aber dennoch freundliches Lächeln. »Evie hat mir erzählt, dass du dich mit Kampfkünsten auskennst.«
»Mit einer speziellen Art«, stellte Adria richtig. »Eher auf Angriff ausgerichtet.« Sie hatte ihr Wissen in der Schlacht benutzt, um verwundete Wölfe zu schützen. Auch ihre Ohren hatten geblutet, ihr Gleichgewichtssinn war gestört gewesen, gleichwohl hatte sie noch agieren können und hart gekämpft.
Seite an Seite mit Riaz.
Ein Laserstrahl hatte seinen Arm beinahe bis zum Knochen aufgeschlitzt, seine Trommelfelle waren zerfetzt gewesen, aber er hatte nicht aufgegeben. Als sie zu spät reagiert und ein Tritt ihre Schulter zerschmettert hatte, war er als lebender Schild vor sie getreten und hatte sie so lange abgeschirmt, bis sie die Schulter örtlich betäubt hatte und weiterkämpfen konnte. Persönlich war er ein mieser Kerl, aber im Kampf war er loyal bis aufs Blut und ungeheuer mutig. »Ich wollte Indigo vorschlagen, ihren Rekruten ein Training anzubieten«, sagte Adria und würgte unerwünschte körperliche Reaktionen ab, als sie an den dunkelhaarigen einsamen Wolf dachte. »Wärst du daran interessiert?«
Sienna nickte prompt. »Ich habe gefragt, weil Evie mir auch erzählt hat, dass die Methode auch auf kleinere Individuen angepasst werden könnte.«
Kluges Mädchen – sie kannte nicht nur ihre Stärken, sondern auch ihre Schwächen. Aber kein Leitwolf, und erst recht nicht Hawke, hätte eine Frau ohne Grips attraktiv gefunden. »Das stimmt. Es könnte sogar sinnvoll sein, die Klassen nach Größe und Gewicht einzuteilen.« Adria sah auf ihre Uhr. »Du solltest jetzt lieber gehen, sonst heult mir Evie morgen die Ohren voll.«
Sienna lachte. Mit Adria fühlte sie sich wohler als mit vielen anderen Leuten, die sie kannte. Das lag nicht daran, dass die Soldatin so stark allen Riviere-Frauen ähnelte, denen Sienna blindlings vertraute, sondern dass sie sie am meisten an Riley erinnerte.
Beide besaßen ein ruhiges Selbstvertrauen und strahlten erdverbundene Wärme aus, waren wie ein ruhender Pol im Sturm. Sienna kannte das Rudel nicht so gut wie Hawke, spürte aber deutlich, dass Adria bald zu denjenigen gehören würde, die dem Rudel wie selbstverständlich Halt gaben, zu denen man ging, um einen Rat zu bekommen, der weder von Mitleid noch von Wertung begleitet wurde.
»Schönen Abend noch«, sagte sie und sah im Gehen, wie das Lächeln aus Adrias
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