hielt sie, während sie weinte.
Es war nicht das erste Mal, dass er eine starke Frau weinen sah, aber einen solchen Gefühlsausbruch hatte er noch nie erlebt. Als würde der Schmerz sie von innen zerreißen. Er vergrub die Hand in Adrias Haaren, legte seine Wange an die tintenschwarzen seidigen Strähnen und spürte spitze Fingernägel im Rücken, als sie die Arme fest um ihn schloss.
Eine Minute, ein ganzes Leben später wurden die Hände wieder zu Fäusten und sie schlug auf ihn ein. In dieser Stellung besaßen ihre Schläge keine Kraft, drückten nur unbändigen Schmerz aus. Die Hilflosigkeit machte Riaz’ Wolf wütend, er drängte hinaus, um zu besänftigen und Sicherheit zu geben. Doch er konnte sie nur halten und den Duft von zerstoßenen Beeren auf Eis einatmen, der in Salz ertrank.
Der Wind hatte sich gelegt, und die Sonne stand tiefer, als Adria still wurde und sich auf eine Weise an ihn lehnte, die ihm sagte, dass der Kampf vorbei war. Er kannte sie nur kurz, konnte es aber kaum ertragen, sie so vollkommen hilflos zu sehen. Adria war stolz und stark. Sie gab nicht auf. »Hast du jemanden verloren?« Nur der Tod konnte eine solch tiefe Verzweiflung erklären.
»Es ist schon lange tot.« Rau und heiser. »Ich war nur noch nicht bereit, darum zu trauern.«
Er rieb die Wange an ihrem Haar, ein Wolf tröstete den anderen. »Geht es dir jetzt besser?«
»Als wäre ich überfahren worden.« Nun war sie wieder die alte Adria.
Sie machte sich von ihm los und erhob sich, ging zu dem Becken des kleinen Wasserfalls, den er gerade erst wahrgenommen hatte, und spritzte sich kühles Wasser ins Gesicht. Bei jeder anderen Gelegenheit, bei jeder anderen Frau hätte er gewartet, aber ihr steifer Rücken machte deutlich, dass sie es nicht ertragen konnte, dass er sie so erlebt hatte, deshalb wandte er sich um und ging fort.
Sein Wolf knurrte, wehrte sich aber nicht. Denn auch er verstand, dass Adria kein hilfloses kleines Mädchen war. Riaz hatte sie an seiner Seite mutig kämpfen sehen, hatte die stählerne Entschlossenheit miterlebt, mit der sie einen Gefährten aus der Feuerlinie geschleppt hatte, hatte sie seinen Rücken decken lassen, als der Feind sie umzingelt hatte.
Ein solche Frau würde nicht wollen, dass ein Mann – schon gar nicht einer, mit dem sie gerade einen brüchigen Waffenstillstand beschlossen hatte – sie so hilflos vor Schmerz und Trauer sah. Ob es wohl erneut eine Barriere zwischen ihnen errichten würde, wenn sie versuchte, sich vor den Erinnerungen zu verschließen? Diese Frage nagte unerwartet unangenehm an ihm.
Alice
Von: Sascha
An: Lara
Kopie: Tammy ; Amara ; Ashaya
Datum: 3. September 2081 11:14
Betreff: Patientin A
Lara – ich habe von Tammy und Ashaya das Neueste über unsere Patientin gehört. Obwohl mein letzter Versuch nichts gebracht hat, habe ich noch einmal in das Buch geschaut (ganz richtig, noch einmal) und zwischen den Zeilen herausgelesen, dass ich anscheinend über eine empathische Gabe verfüge, die ihr helfen könnte.
Noch habe ich keinen Beweis dafür, denn man kann es natürlich nur bei jemandem in ihrer Verfassung ausprobieren, aber wenn du keine Bedenken hast, dass es unsere anderen Bemühungen stören könnte, würde ich gerne einen Versuch wagen.
Von: Ashaya
An: Sascha
Kopie: Tammy ; Lara ; Amara
Datum: 3. September 2081 11:17
Betreff: AW : Patientin A
Wie ihr alle wisst, hat Lara heute Patientin A ein Mittel injiziert, das Amara und ich vorgeschlagen hatten. Es könnte die Patientin in einen Zustand versetzen, in dem sie möglicherweise noch eher auf Saschas Empathie reagieren könnte. Ich habe keine Bedenken, welcher Art auch immer. Amara ist derselben Meinung.
Von: Lara
An: Sascha
Kopie: Tammy ; Ashaya ; Amara
Datum: 3. September 2081 11:58
Betreff: AW : AW : Patientin A
Ich bin offen für alles, was Patientin A helfen könnte. Ich rufe dich an, Sascha, dann können wir verabreden, wann du herkommst. Vielleicht ist es besser, noch zu warten, bis wir sehen, ob Ashayas und Amaras Mittel etwas genutzt hat.
Diese Woche war ein Techniker da und hat die Geräte neu kalibriert, die wir zur Überwachung der Patientin