Einsame Spur (German Edition)
Wissenschaftlerin der Menschengattung, war vor über hundert Jahren in einen Kälteschlaf versetzt worden und lag nun in einem Koma, aus dem sie niemand wecken konnte. Adria konnte sich nicht vorstellen, wie es für Alice sein würde, wenn sie tatsächlich einmal erwachte – die Welt hatte sich dramatisch verändert, seit man sie eingefroren hatte. Freunde und Familie waren längst zu Staub geworden. Doch Alice gab es weiterhin.
»Ich sollte wohl lieber eine Eskorte für die Rabauken organisieren«, sagte Tamsyn und sah den Kindern mit einem liebevollen Lächeln zu. »Schön, dich kennengelernt zu haben, Adria.«
Nachdem Tamsyn und die Jungen fort waren, trat ein unangenehmes Schweigen ein. Doch als Adria weitergehen wollte, stellte Riaz sich ihr in den Weg. Er sah angespannt aus, über den Augen aus gehämmertem Gold lag ein Schatten, doch seine Worte waren unerwartet großzügig. »Ich habe frei – da könnte ich dir doch ein paar nicht so bekannte Ecken des Reviers zeigen, wenn du willst.«
Leicht beunruhig sah Adria auf, wurde aber aus Riaz’ Miene nicht schlau. Doch sie hatte viel zu lange mit einem Mann verbracht, dessen Miene ebenso verschlossen gewesen war, deshalb fragte sie ungläubig: »Aus welchem Grund solltest du Zeit mit mir verbringen wollen, da wir doch beide wissen, welche Gefühle du mir entgegenbringst?«
Riaz hatte mit den Krallen gerechnet, sein Wolf zuckte nicht zurück. An dem kalten, einsamen Morgen nach dem Fest für Hawke und Sienna hatte er etwas beschlossen. »Weil es nicht dein Fehler ist, dass du nicht meine Gefährtin bist.« Er hatte das Gefühl, als würde ihm die Haut bei lebendigem Leibe abgezogen, doch er schuldete Adria eine Erklärung. »Es tut mir leid, dass ich dich dafür bestraft habe.«
Schon beim ersten Satz war Adria erstarrt, blanker Horror erschien auf ihren schönen Zügen. »Du hast deine Gefährtin bereits gefunden? Wie konntest du mich dann küssen?«
Er wollte lieber nicht darüber sprechen, wollte eher so tun, als hätte es Lisette nie gegeben, doch die Zeit, in der er sich hinter dem Zorn verborgen hatte, und der sturen Weigerung, die Wahrheit zu akzeptieren, war ein für alle Mal vorbei. »Sie ist verheiratet.« Liebte einen anderen. Coop hatte recht – er konnte zulassen, dass ihn dieses Wissen zerstörte, oder er konnte ein neues Leben auf den Scherben des alten aufbauen.
Er war ein Wolf, dominant und beschützend. Aufzugeben und sein Rudel im Stich zu lassen war gegen seine Natur. Er musste einen Weg finden, zu überleben und wieder ein Mann zu werden, dem er mit Stolz ins Gesicht sehen konnte.
Adrias Augen nahmen mitfühlend die blasse Bernsteinfarbe ihrer Wölfin an. Er biss die Zähne zusammen. Mitleid wollte er nicht, hatte ihr das alles nur gebeichtet, weil sie seinen Zorn abbekommen hatte, obwohl sie keine Schuld traf. Doch Mitleid war es auch nicht, was sie ihm entgegenbrachte, nur Wärme und ein Großmut, der ihn tief bewegte. »Wenn meine Gegenwart deinen Wolf nicht in Schwierigkeiten bringt«, sagte sie, »würde ich deine Hilfe gerne annehmen.
In Schwierigkeiten bringen?
Riaz schluckte ein bitteres Lachen herunter. »Wir fahren bis zum Rand des Gebietes, das du schon gut kennst«, sagte er, fest entschlossen, sie so zuvorkommend zu behandeln, wie er es von Anfang an hätte tun sollen, ganz unabhängig von seinem heftigen Begehren, sie zu berühren. »Dann werden wir die weniger zugänglichen Pfade zu Fuß erkunden.«
Adria schwieg in den ersten zehn Minuten, doch es war ein drückendes Schweigen, weil so vieles ungesagt war. Er zuckte zusammen, als sie sagte: »Hattest du … gab es eine Chance?«
Seine Hände umklammerten das Lenkrad. »Sie liebt ihren Mann. Ich habe sie einfach zu spät gefunden.« Er bereute seine Worte schon, als er sie noch kaum ausgesprochen hatte. Die Verletzlichkeit behagte seinem Wolf ganz und gar nicht. »Indigo weiß Bescheid.« Er wünschte, es wäre nicht so. »Aber niemand anders, wenn du also bitte –«
»Ich schweige wie ein Grab«, versprach sie mit leicht heiserer Stimme, die ihn ungewollt erregte. »Du kannst mit mir darüber sprechen.« Sie zögerte. »Es ist nicht gut, alles in sich zu vergraben.«
Er stellte den Hoverantrieb ein, um über eine steinige Stelle zu fahren. »Es gibt nicht viel zu erzählen.« Er war nicht stur – aber was sollte man noch dazu sagen? Lisette gehörte einem anderen, und er musste einen Weg finden, um damit fertigzuwerden.
»Nein, gibt es wohl nicht.« Erst als
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