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Einsamen

Einsamen

Titel: Einsamen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Nesser
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Er begann mit ihnen zu sprechen, immer noch auf Rumänisch – zumindest nahm Gunilla an, dass es Rumänisch war –, aber mit einzelnen Worten gespickt, die sie verstehen konnten. Sie schnappte folgende auf: forbidden, police, document, passport, arrest, problem, prison, territory.
    Als er fertig war, versuchte Tomas erneut etwas zu sagen, wurde aber durch eine Ohrfeige zum Schweigen gebracht. Es war einer der anderen Männer, der zu ihm trat und sie ihm verpasste. Gunilla hatte plötzlich das Gefühl, sie müsste sich übergeben, und Anna stieß einen erschrockenen Laut
aus.
    Der Mann, der Tomas geohrfeigt hatte, ging zu Anna. Stellte sich einen halben Meter vor sie und hob die Hand. Nach einigen Sekunden senkte er sie wieder und nahm erneut seine Position hinter dem Anführer ein.
    »Come!«, sagte der Anführer und zeigte mit seiner Kalaschnikow die Richtung.
    Sie wurden der Reihe nach über den offenen Platz geführt. Als sie am Bus vorbeikamen, machten sie Halt, der Anführer streckte seine Hand aus und sagte: »Key!« Tomas antwortete: »In bus«, und einer der Soldaten kletterte hinein und stellte den Motor ab. Als er wieder herauskam, überreichte er den Schlüssel dem Anführer. Dieser sagte: »forbidden territory«, und sie gingen weiter auf ein niedriges rechteckiges Betongebäude zu, ohne Fenster, aber mit einem hohen Schornstein.
    Einer der Männer schloss eine schwere Stahltür auf, und sie wurden hineingeschoben. Drei der Soldaten folgten ihnen, inklusive Anführer, der Jüngste blieb draußen stehen. Der
Anführer schaltete das Licht ein, eine einzelne schmutzige Glühbirne hing von einem Kabel an der Decke, mitten im Raum.
    Der war groß und kalt. Betonboden, Betonwände. Ein paar Bänke ganz hinten unter einer zweiten Glühbirne, offenbar war diese kaputt. In einer Ecke war an der Wand ein Waschbecken befestigt. Ein paar Blechbehälter, vielleicht waren es Benzinkanister; es roch wie in einer Garage oder an einer Tankstelle, wie Gunilla fand. Und dann war da noch ein anderer Geruch, den sie nicht identifizieren konnte. Vielleicht war es nur eine Art allgemeiner Schmutzgeruch. Oder Schimmel.
    Es wurde ihnen befohlen, sich auf die Bänke zu setzen. Nachdem sie dem Befehl nachgekommen waren, stellte sich der Anführer direkt vor sie, die Füße breit auseinander, und betrachtete sie, ohne eine Miene zu verziehen. Die beiden anderen standen zwei Meter hinter ihm mit halb erhobener Waffe, und einen kurzen Moment lang war sie sich sicher, dass sie sie erschießen wollten.
    Dass alle von ihnen hier sterben sollten.
    Hier und jetzt, in diesem schmutzigen Betonbunker außerhalb von Timisoara in dem Land Rumänien, hier sollten sie sterben. Wieder kam das Würgegefühl hoch, aber in dem Moment, als sie glaubte, sie müsste sich übergeben, räusperte sich der Anführer und sagte:
    »Stay here.«
    Dann machte er kehrt und marschierte zusammen mit seinen Kameraden aus dem Gebäude. Wie auf einem alten, unscharfen Filmstreifen – denn es erschien in keiner Weise wirklich zu sein – sah Gunilla, wie die schwere Tür geschlossen wurde, hörte, wie sich umständlich der Schlüssel im Schloss drehte, und dann waren sie allein.
    Eine Minute lang sagte keiner etwas. Anna weinte. Gunilla fing auch an zu weinen, weil Anna es tat.
    »Die versuchen doch nur, uns Angst einzujagen«, sagte Tomas. »Wahrscheinlich sind sie jetzt losgegangen, um jemanden zu finden, der die Verantwortung übernehmen kann. Wir sind auf einem geheimen Militärgelände gelandet, das ist alles.«
    »Jedenfalls ist es ihnen gut gelungen«, sagte Maria. »Uns Angst einzujagen, meine ich. Könnt ihr nicht aufhören zu heulen, das hier ist doch nichts, worüber man Tränen vergießt.«
    »Verdammte Scheiße«, sagte Anna. »Du hast doch gar keine Tränen, die du vergießen könntest.«
    »Mehr als du ahnst«, sagte Maria, »aber die spare ich mir auf.«
    »Wäre es nicht schlauer, wenn wir zusammenhielten?«, schlug Rickard vor. »Ich meine, es ist doch ziemlich dumm, wenn wir uns ausgerechnet jetzt streiten. Ich bin mir gar nicht sicher, dass die vom Militär sind.«
    »Was meinst du damit?«, fragte Tomas.
    »Na, diese Uniformen. Die sahen eher aus wie irgendwelche Polizisten. Oder Wachleute, auf jeden Fall hatten sie keine Rangabzeichen.«
    »Was ist das hier eigentlich für ein Ort?«, fragte Anna. »Mein Gott, er hat dich sogar geschlagen, Tomas.«
    »Kalaschnikows«, sagte Germund. »Hässliche kleine Dinger. Wir sollten vielleicht dankbar

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