Einsamen
sein, solange sie nur die Fäuste benutzen.«
»Es war die Handfläche«, sagte Tomas. »Eine Ohrfeige, nicht so schlimm.«
»Musst du eigentlich die ganze Zeit so optimistisch tun?«, fragte Maria genervt. »Dir wird ins Gesicht geschlagen, und das findest du in Ordnung. Wir werden in diesem verfluchten Bunker eingesperrt, und das findest du auch in Ordnung. Das hier geht verdammt schief, versuch das mal zu begreifen.«
Tomas stellte sich vor Maria, die noch auf der Bank saß. »Könntest du so gut sein und deine Klappe halten«, sagte er. »Es hat doch keinen Sinn, hier herumzusitzen und den Teufel an die Wand zu malen. Warum versuchst du nicht ausnahmsweise einmal, ein wenig konstruktiv zu sein?«
»Konstruktiv?«, wiederholte Maria mit einem trockenen Lachen. »Und wie zum Teufel soll es möglich sein, an so einem Ort konstruktiv zu sein, kannst du mir das bitte schön erklären?«
Sie breitete die Arme aus und schüttelte den Kopf. Tomas blieb einen Moment lang unentschlossen vor ihr stehen, und Gunilla fragte sich, ob er vielleicht mit der Lust kämpfte, dem Beispiel des Soldaten zu folgen. Und Maria eine Ohrfeige zu verpassen. Schließlich setzte er sich neben Rickard.
»Verdammt, was machen wir jetzt?«, fragte er.
»Ich weiß es nicht«, erwiderte Rickard. »Warten, nehme ich mal an.«
Es dauerte vermutlich nicht mehr als eine Viertelstunde, bevor die Männer zurück waren, aber keiner achtete auf die Zeit.
Während sie fort waren, wurde nicht viel gesagt. Gunilla wunderte sich, fand es aber gleichzeitig auch nicht besonders merkwürdig. Was gab es denn zu sagen? Tomas und Rickard waren umhergelaufen und hatten den Raum untersucht, das war eigentlich das Einzige, was passiert war. Er war nicht besonders groß, ungefähr sieben mal sieben Meter, drei Meter hoch und keine Fenster. Die Wände waren aus unbehandeltem Beton, die Tür aus Stahl, es gab nicht den Ansatz einer Chance, herauszukommen.
Die Kanister waren leer, Tomas hatte gegen sie getreten.
Und was hätten sie machen sollen, wenn es ihnen geglückt wäre, herauszukommen? Es gab einen Ersatzschlüssel im Bus, unter Annas und Rickards Bett, aber wer sagte ihnen denn, dass ihre Gefangenenwächter nicht auch den Bus bewachten? Vielleicht waren sie gerade dabei, ihn zu durchsuchen. Auf der Jagd nach pornografischen Zeitschriften oder Zigaretten oder was auch immer. Geld natürlich.
Und sie hatten ihre Pässe. Wäre doch cool, ohne Pass an die Grenze zwischen Rumänien und Bulgarien zu kommen, hatte Tomas gemeint, und darin hatte sogar Maria ihm Recht gegeben.
Aber ansonsten waren sie still gewesen. Ungewöhnlich still. Als Gunilla Anna fragte, ob sie durstig sei, bekam sie keine Antwort, nur ein Kopfschütteln. Es schien, als säße jeder für sich da und versuchte allein mit der Situation zurechtzukommen; als wäre das ein notwendiger Prozess, bevor man miteinander über die Lage sprechen könnte.
Germund hatte den Kopf gesenkt und sah ungefähr so aus wie damals in dieser Kirche in der Stadt, fand Gunilla. Sie konnte sich immer noch nicht an deren Namen erinnern. Maria hatte sich auf der Bank lang ausgestreckt, sie hatte die Augen geschlossen, schlief aber natürlich nicht. Sie war den ganzen Tag über gereizt gewesen, vielleicht würde sie bald ihre Tage kriegen, aber bei Maria war das nie so leicht zu sagen. Gunilla dachte wieder daran, wie schwer es war, sie und Germund zu verstehen. Es stimmte schon, was Tomas gesagt hatte.
Sie waren Ausnahmemenschen.
Aber natürlich waren es nicht Maria und Germund oder einer der anderen, die ihre Gedanken beschäftigten. Die Angst tickte in ihr, es war ein Gefühl, wie sie es während der Monate in Ulleråker manchmal empfunden hatte. In den einsamen, durchwachten Nächten. Sie war draußen und lief über nächtliches Eis und konnte jeden Moment einbrechen. Jeden Moment konnte sie wieder in die Dunkelheit stürzen.
Sie wünschte sich, dass sie etwas von ihrer Panik Tomas vermitteln konnte. Oder genauer gesagt, sie ihm bewusst machen, doch das funktionierte nicht. Tomas war derjenige, der die Verantwortung für die Gruppe trug. Das Kollektiv ist wichtiger als das Individuum, er konnte sich in einer Situation wie der jetzigen nicht mit dem privaten Schmerz jedes Einzelnen befassen. Nicht einmal mit ihrem, leider. Er ist es so gewohnt, sich um mich zu kümmern, dachte sie. Gewohnt und dessen überdrüssig. Sie betrachtete ihn, wie er wie ein gefangenes Tier hin und her lief in seinem sinnlosen
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