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Einsamen

Einsamen

Titel: Einsamen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Nesser
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keine Kinder, und während der gesamten Zeit unserer Ehe liebte meine Ehefrau einen anderen. Man kann sich fragen, wo da noch der Sinn zu suchen ist.«
    »Sie liebte Germund Grooth?«
    »Germund Grooth«, bestätigte Berglund und fuhr sich mit der Hand über Mund und Kinn. »Sie hatten fünfundzwanzig Jahre lang ein Verhältnis. Mehr als fünfundzwanzig Jahre. Seit dem Tag …«
    Seine Stimme brach. Er schüttelte den Kopf und holte tief und nervös Luft. Barbarotti fragte sich kurz, ob das der Anfang eines Zusammenbruchs sein könnte, doch es schien nicht so. Berglund war gezwungen, Pausen zu machen bei dem, was ihm bevorstand, aber er brach nicht zusammen. Er war gefasst, und das, was er berichtete, hatte er schon vor langer Zeit formuliert.
    »Seit dem Tag, an dem wir zusammengezogen sind … können Sie sich dieses Melodrama vorstellen? Germund half beim Umzug, und sie schafften es, miteinander zu schlafen, während ich ein paar Stunden fort war. Ich habe einen guten Freund besucht, der einen Unfall erlitten hatte … im Universitätskrankenhaus von Uppsala. In dieser Zeit betrog sie mich in unserer ersten Wohnung. Im Oktober 1971.«
    Er hielt inne, betrachtete seine Hände und ließ die Schultern sinken.
    »Es ging bis weit in die Neunziger. Ich glaube, bis der Krebs zum ersten Mal auftauchte. Ja, so war es wohl. Sie war … wie besessen von ihm. Sie wollte ihn nicht haben, konnte aber nie Nein sagen, er war … das ist ein starkes Wort, aber ich glaube, er war ein böser Mensch. Dämonisch. Ich habe versucht, ihn zu verstehen, sein Motiv und alles, aber es geht einfach nicht. Er hatte ja die ganze Zeit noch andere Frauen neben ihr.«
    »Wie haben Sie davon erfahren?«, fragte Barbarotti und unterdrückte den Impuls, den Mann, der ihm gegenübersaß, zu berühren. Woher kommen solche Impulse?, fragte er sich. Er sah außerdem ein, dass zwischen Anna Berglund und Marianne zehn Jahre liegen mussten, eine Einsicht, die ihm den Weg zu unerwünschten Bereichen bahnte – dämonisch? –, doch Berglunds weiterer Bericht zerstreute seine privaten Nebel.
    »Sie hat es mir erzählt«, erklärte er. »Als der Krebs zurückkam, da hat sie mir alles erzählt. Sie wollte sich auch das Leben nehmen, aber es gelang mir, sie zurückzuhalten. Dafür war sie dankbar, nach der Jahrtausendwende hat sie Grooth nie wieder getroffen, nicht ein einziges Mal. Diese letzten Jahre hat sie nur gebüßt. Das Merkwürdige daran ist …«
    »Ja?«, fragte Barbarotti nach. »Was ist das Merkwürdige?«
    Berglund lachte auf, kurz und unsicher. »Das Merkwürdige ist«, sagte er, »dass sie anfing, ihn zu hassen … aber vielleicht ist das auch gar nicht so merkwürdig. Das Pendel schlug ins andere Extrem aus, so kann man es wohl sagen. Manchmal schien es mir fast, als müsste ich ihn in Schutz nehmen. Darauf hinweisen, dass sie beide daran beteiligt waren, aber es fiel ihr schwer, das einzusehen. Er war die Droge, und sie war das Opfer, so beschrieb sie es häufig. Auf jeden Fall hat Germund Grooth unser Leben zerstört, sicher, er ist mein Sündenbock, aber Annas ist er in noch viel höherem Maße. Ich weiß nicht, ob das für einen Außenstehenden begreiflich klingt?«
    »Das ist vielleicht gar nicht so wichtig«, sagte Barbarotti. »Vernunft und Gefühl decken sich ja nicht immer. Was also ist damals in der Gåsaklyftan passiert?«
    Rickard Berglund runzelte einen Moment lang die Stirn, schien über den Kommentar hinsichtlich Vernunft und Gefühl nachzudenken. Er trank einen Schluck Kaffee und setzte sich auf.
    »Meine Frau hat Maria in den Abgrund gestoßen«, sagte
er.
    Barbarotti ließ diesen Satz einige Sekunden nachwirken. Kontrollierte, ob das Aufnahmegerät auch funktionierte.
    »Warum?«, fragte er.
    »Weil ihr klar wurde, dass Germund ihr immer Maria vorziehen würde«, sagte Berglund. »Maria und Germund waren fast so etwas wie Blutsverwandte. Das war ihr am Abend zuvor auf dem Pfarrhof klar geworden, er hatte es Anna direkt ins Gesicht gesagt, und da hatte sie den Entschluss gefasst. Sie hat Maria ermordet, weil sie Germund haben wollte, so einfach war das.«
    »So einfach?«
    »Ja. Man kann natürlich alles von allen Seiten betrachten, aber ich glaube, es macht keinen großen Unterschied. Genauso einfach war es.«
    »Ich verstehe«, sagte Barbarotti. »Und keiner hatte irgendeinen Verdacht?«
    »Keiner hatte auch nur den Ansatz eines Verdachts«, bestätigte Berglund. »Und Germund selbst schon gar nicht. Bis vor zwei Wochen hat

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