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Einsamkeit und Sex und Mitleid: Roman

Einsamkeit und Sex und Mitleid: Roman

Titel: Einsamkeit und Sex und Mitleid: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helmut Krausser
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Mühe hatte,
ihren hochgewehten Rock unter Kontrolle zu bekommen.
    Janine bestellte ein Glas trockenen Weißwein. Und Uwe, der selbsternannte Brandbeschleuniger ,
begann sie mit einer extrem langen Geschichte zu langweilen. Er sei überfallen
worden, erzählte er, heute, vor noch nicht mal zwei Stunden!
    Ich möchte auch gern überfallen werden, dachte Janine. Komm und
überfall mich!
    »Deshalb hast du mich in die Kneipe bestellt? Damit du lamentieren
kannst?«
    »Wie bitte?«
    »Schon gut, vergiß es! Du Opfer! Tut mir leid, ich bin so was von
unsensibel. Du hast mir eine falsche Telefonnummer gegeben, aber kaum wirst du
überfallen, da brauchst du wen, natürlich.« Janine bekam Angst vor einem
Zuckanfall und suchte sich wieder zu beruhigen.
    Uwe zupfte verwirrt an seinem Hemdkragen. »Ich hab dir keine falsche
Telefonnummer gegeben.«
    »Red keinen Scheiß. Son Typ von der Sternwarte hat sich gemeldet.«
    »Hast du noch den Deckel?«
    Janine kramte in ihrer Handtasche und warf ihm den Deckel hin.
    »Na los!« forderte Uwe sie auf, »wähl die Nummer! Dann werden wir ja
sehen!«
    Janine wählte die Nummer. Der Rentner von der Sternwarte war ganz
außer sich vor Freude und wünschte einen schönen Abend, ob sie ihn nicht
besuchen kommen wolle, Sterne gucken, gratis. Uwe glotzte verständnislos.
    »Das gibts doch nicht. Was für ne Nummer hast du da eingegeben? Laß
mal vergleichen.«
    Ich will in deine Möse zurück! Du Arschloch! Geliebtes! Thomas Stern wußte nicht recht, ob ein Brief etwas nutzen würde, aber an Carla
zu schreiben war besser, als völlig hilflos nur an sie zu denken.
Tränenüberströmt saß er am Tresen seiner Hausbar, unten im Partykeller, den er
abgeschlossen hatte, für den Fall, daß Sarah hereinplatzte. Er hatte keine
Geheimnisse vor ihr, aber sie sollte nicht mitbekommen, wie nah ihm die Sache
ging. Wo war Sarah überhaupt? Um diese Uhrzeit? Hatte sie was von Sport gesagt?
Ihm war so. Sie machte seit einiger Zeit Sport. Oder war es was anderes? Er
sprach in sein Diktaphon eine schnelle Notiz: Sarah fragen, was sie in letzter Zeit
macht .
    Uwe hielt den Bierdeckel und Kims Handy nebeneinander.
Dann war die Sache klar.
    »Das da hinten, Mädchen, ist doch keine DREI .
Das ist eine SIEBEN .«
    » DAS ? Nenn mich nicht Mädchen. Das ist
doch keine Sieben!« Doch, sie mußte zugeben, daß man das als Sieben
interpretieren konnte.
    »Was hast du denn? Was ist los?« Uwe machte sich Sorgen, Kim in ein
Krankenhaus fahren zu müssen, sie hatte eine Art epileptischen Anfall, zuckte
wie ein Cyborg, dem die Drähte durchgebrannt waren, es war ihm peinlich. Doch
nach wenigen Sekunden war der Spuk vorbei und Kim entspannte sich. »Na gut,
dann ist das eben eine Sieben.«
    »Und was war das eben?«
    »Das war nichts. Meinst du, du kriegst heute noch einen hoch?«
    »Ich bin traumatisiert. Vielleicht denkst du mal nicht dauernd nur
an dich!«
    Sarah war eben zweimal in zwei Stunden erschossen worden
und fühlte sich herrlich ausgepowert. Endlich war sie unter die 63 Kilo
gerutscht. Morgen, beschloß sie, würde sie Thomas ihr kleines Geheimnis
offenbaren, ganz einfach, indem sie mit der Knarre über der Schulter durch die
Tür treten würde, lässig wie James Dean, mit einem Grinsen auf dem Gesicht. Und
dann würde sie aus der Hüfte einen Schuß auf ihn abfeuern, rein aus Jux. Die
Farbe ging beim Waschen problemlos raus. Er sollte ruhig einen Schreck
bekommen. Sie würde ihm beichten müssen, daß das Gewehr über tausend Euro
gekostet hatte. Oder? Nein, im Grunde war das nebensächlich.
    Robert und Maschjonka Pfennig wurden an diesem Abend von
Kommissar Nabel gebeten, eine weibliche Kinderleiche zu identifizieren, die man
aus dem Schlachtensee gefischt hatte.
    Es sei zwar schon spät, aber je schneller sie das hinter sich
brächten, desto besser. Er wiegelte auch gleich ab. Seiner Meinung nach, also
den vorliegenden Fotos nach zu urteilen, handle es sich wahrscheinlich nicht um Sonja, aber bei Wasserleichen sei das Gesicht oft über Gebühr entstellt, und
vielleicht könnte, ja sollte baldmöglichst Klarheit geschaffen werden. Die
Pfennigs machten sich sofort auf den Weg zur Pathologie. Mascha war überzeugt
davon, daß es Sonja sein mußte. Robert hatte noch nie einen Leichnam gesehen
und fürchtete sich vor dem Anblick. Nabel holte die beiden an der Einfahrt in
die Charité ab, wies ihnen einen Parkplatz zu, der tagsüber einem der Chefärzte
vorbehalten war, und begleitete sie auf dem schweren Weg,

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