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Einsamkeit und Sex und Mitleid: Roman

Einsamkeit und Sex und Mitleid: Roman

Titel: Einsamkeit und Sex und Mitleid: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helmut Krausser
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da kein Problem mehr, Minnie gab, wenn auch leicht
seufzend, nach und ging die Biere holen.
    Und es gab doch ein Problem.
    »Wie spielt diese Niggerfotze sich auf?«
    »Was willst du? Sie ist doch kulant!«
    Mahmud hatte vorgehabt, mit Johnny ein Bier zu trinken und – von
Mann zu Mann – über Frauen zu reden. Nicht aber über Niggerfotzen, die ihn als
Kind betrachteten. Und wie bereitwillig Johnny auf dieses Kontrollspielchen
eingegangen war, stieß ihm übel auf.
    »Du hältst dich also für erwachsen, ja?«
    Johnny registrierte, daß Mahmuds Stimme jeder versöhnliche Tonfall
abhanden gekommen war.
    »Das sind doch nur Zahlen«, versuchte er ihn zu beschwichtigen. »Ich
kann doch nichts dafür, wie alt ich bin, oder wie jung du bist.«
    »Es geht nicht darum, wie alt oder jung ich bin. Die fette Sau will
hier keinen Araber hocken haben. Darum gehts!«
    »Ach, das bildest du dir ein. Jetzt trinken wir Bier und damit Ruh.«
    »Sachma, gibst du hier jetzt die Befehle? Oder was?« Mahmud war laut
geworden und drehte sich zu Janine und Uwe um, die am Nachbartisch saßen.
    »Was glotzt ihrn so?«
    Minnie brachte die beiden Biere und bat Mahmud darum, andere Gäste
nicht zu belästigen.
    Sie hatte keine Angst. Mit einem Bürschchen wie dem würde sie
notfalls grade noch fertig werden. Mahmud sah das anders.
    Er mochte auch nicht mehr vom Bier nippen, diesem Werkzeug der
Ungläubigen, mit dem sie sich, wie Faisal es immer so bildhaft ausdrückte,
Illusionen der Fröhlichkeit schufen. Er schüttete Johnny das Bier ins Gesicht.
Johnny glitt vom Stuhl und ging in Deckung. Sein Stirnpflaster war naß geworden
und klebte nicht mehr.
    Janine bat Uwe darum, aufzubrechen, hier werde es zunehmend
ungemütlich. Uwe tat, als habe er sie nicht gehört, er sah sich gerne
Schlägereien an. Er bekam sogar Lust, mitzumachen und dem randalierenden
Kanaken in die Fresse zu schlagen.
    Minnie kam mit Eimer und Wischmob. »Raus hier!« herrschte sie Mahmud
an und wies mit dem Zeigefinger zum Ausgang.
    »Du angebrannte Schnalle! Fick dich! Du hast mir gar nichts
anzuschaffen!« Brüllte Mahmud, stand auf und stützte sich mit beiden Händen auf
den Tisch, bereit, die Kellnerin anzuspucken.
    Plötzlich, womit er überhaupt nicht gerechnet hatte, stand Holger
vor ihm, ein bis auf die seltsamen Schuhe schwarzgekleideter Punk.
    »Sag mal, Ziegenficker, bist du böse?«
    »Was?« Mahmud wirkte irritiert, als würde ihn etwas blenden. Da
stand dieser Typ vor ihm und sprach ihn an. Weswegen?
    »Ich bin nämlich auch böse . Ich – bin genug Böses an einem Ort.
Mehr geht nicht, sonst wird der Ort, an dem ich grade bin, unerträglich. Also
zieh deinen Schluß daraus und such das Weite, Ziegenficker.« Holger war
irgendwie gut drauf. Als könne ihn nichts auf der Welt stoppen.
    »Was mischst du dich hier ein, du Scheiß-Punk?«
    »Tja, Ziegenficker. Ich bin hier gut bedient worden. Wenn du meine
Kellnerin anmachst, mach ich dich auch an. So ist das.«
    »Hat sie dirs gut besorgt, die schwarze Muschi, ja?« Mahmud war
nicht willens, so schnell nachzugeben. Noch war man nur beim rhetorischen Teil
der Auseinandersetzung, es gab keinen einleuchtenden Grund, Leine zu ziehen.
    Holger öffnete seine Hose und richtete seinen bemerkenswert strammen
Urinstrahl auf Mahmud. Der kapierte nicht, wie ihm geschah, er wurde um Bauch
und Brust herum naß, und hinter Holger waren nun andere Punks getreten,
insgesamt fünf oder sechs, und alle kreischten vor Freude.

7
    Uwe saß da und wußte nicht, was er tun sollte. Die Stimme
hatte er sofort erkannt. Der Punk war es gewesen. Der Punk hatte ihn
ausgeraubt. Konnte das sein? Ein solcher Zufall? Warum nicht? Plötzlich war er
sich doch nicht mehr sicher. Bestimmt besitzt der Punk, sagte sich Uwe, eine
nur ähnliche Stimme, und jetzt bilde ich mir ein, es sei dieselbe,
wahrscheinlich stehe ich noch immer unter Schock, da hört man, was man hören
will. Außerdem – was sollte ich tun? Uwe dachte nach. Der Kerl hatte zu viele
Freunde dabei. Und die Bullen holen? Welchen Beweis gäbe es gegen den Punk?
Nein, es war klüger, sogar bequemer, zu beschließen, daß die beiden Stimmen
einander sehr ähnlich klangen, mehr nicht.
    Der tropfende Mahmud brüllte was in seiner Muttersprache,
sprang auf den Tisch, von dort auf einen anderen Tisch, von dort zum Ausgang –
und ward nicht mehr gesehen. Zum ersten Mal im Leben hatte er vor jemandem
Angst gehabt, der nicht aus seiner Familie stammte. Vernichtendes Gejohle holte
seine

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