Einschlafbuch Fuer Hochbegabte
das Zelt betraf, berief Jackson sich auf die amerikanischen Ureinwohner und auf den forschenden Sioux-Nachfahren Judson Byrd Finley. Der behauptet, das Schlafen im Zelt sei dem Menschen am zuträglichsten, denn es erinnere an die ursprüngliche Gewohnheit des nomadischen Lebens. Wenigstens in Campern scheinen diese Gene noch zu wirken.
Leibhaftig mit Nomaden zog, nach eigener Auskunft, die Volkskundlerin Elsa Kamphoevener durch Kleinasien. Es ist gut hundert Jahre her. Sie beobachtete, dass anatolische Nomaden ihre Zelte nicht nur nach der Beschaffenheit des Bodens ausrichteten, sondern auch nach dem Stand der Gestirne. Noch wichtiger war die Position der Schlafdecke: Der Kopf musste in Richtung Mekka liegen. Sie selbst, ohne irgendeiner Religion zu huldigen, blieb auch nach ihrer Rückkehr in Deutschland bei dieser Gewohnheit und behauptete, gen Mekka am allerbesten zu schlafen.
Wir können das leicht überprüfen. Mekka liegt von Deutschland aus genau im Südosten. Die Forscherin brachte indes noch eine weitere Weisheit aus dem Orient mit: »Die ganze Welt ist eine Moschee.« Wer auf diesen Satz vertraue, könne gar nicht anders, als gut schlafen, und zwar überall. Denn »der Schlaf in einer Moschee ist am erholsamsten«.
Das trifft zu. Und keineswegs nur auf ruhebedürftige Muslime. Gottesdienstgänger, die in der Kirche einschlafen, können es bestätigen, sofern sie nicht von missgünstigen Nachbarn in die Rippen gestoßen werden. Man schläft besser in heiligen Räumen! Das ist ein uraltes Rezept für Gesundheit und inneren Frieden. Der sogenannte Tempelschlaf war üblich im Ägypten der Pharaonen, im antiken Griechenland und in Rom, er wurde als Heilmittel ins frühe Christentum übernommen, bis man zu Luthers Zeiten zur Überzeugung gelangte, es sei unschicklich, in der Kirche zu schlummern.
Der freche Kirchenkritiker Karlheinz Deschner sah hingegen im Propagieren des Tempelschlafes die einzige Möglichkeit für die Kirche, ihre Bänke noch zu füllen. Ein paar Polster wären vorteilhaft. Im Übrigen sind bei dieser Art Tiefenerholung die Position von Mantel oder Decke auf dem Boden oder die Ausrichtung der Bank völlig unerheblich. Wohltuend ist dieser Schlaf, weil er in geweihter Sphäre stattfindet. Der mit Andacht und Frieden gesättigte Raum durchtränkt den Schläfer. Auf ihn vermag er viel stärker zu wirken als auf einen aufmerksamen und wachen, damit jedoch zugleich abwehrbereiten Geist.
»Wer an diesem Orte schläft, wird mit Frieden gelabt«, lautete die Inschrift unter dem Bild eines Tempelschläfers im antiken Epidaurus. Träume, die sich im Tempelschlaf offenbarten, galten als klärend und wegweisend. Heute handeln sie, zumindest in christlichen Kirchen am Sonntagvormittag, vom Mittagessen. Doch auch das zeugt von gewissen seherischen Qualitäten.
Leider haben die wenigsten Hochbegabten heute in ihrer Nähe einen Tempel, der zur Schlafenszeit geöffnet ist. »Die Kunst besteht darin, sich den jeweiligen Schlafraum als Tempel herzurichten«, empfiehlt daher der französische Anthropologe Pascal Dibie, der sich ein ganzes Buch darüber abgerungen hat. Für Benjamin Franklin war die Bibliothek der Tempel; dort schlief er am häufigsten. Für einen Piloten mag es das Cockpit sein. Für einen Fernfahrer die Kanzel seines Vierzehntonners; unterm schaukelnden Maskottchen schläft er seelenruhig bei hundert Sachen hinterm Steuer.
Bereits wenige Gegenstände reichen, um unwirtliche Räume zu verwandeln. Mozart schlief in ungefederten Kutschen, wenn er nur ein paar Notenblätter im Schoß hatte. Dem Philosophen Friedrich Nietzsche genügte auf Reisen eine Ausgabe von Goethes Gesprächen: Schlaf gesichert. Richard Gere stellt einen daumengroßen goldenen Buddha auf den Nachttisch.
Albert Einstein nahm auf Reisen etwas mit, das ihn über die schlechtesten Matratzen und zugigsten Räume hinwegtröstete und ihm verlässlich zu weihevollem Schlaf verhalf: einen alten abgeschabten Teddybär. Der war ihm heilig, absolut, jenseits aller Relativität. Denn er geleitete ihn dorthin, wo die Konstruktionen der Gedanken nicht mehr gelten. »Teddy«, erklärte der gewitzte Meister, »ist mein idealer Begleiter ins Raumlose und Zeitlose, er ist mein Engel des Schlafes.«
Banges Wachen von Bismarck bis Karl Marx
Der Fürst Otto von Bismarck hatte alles im Griff. Tagsüber. Sobald die Dämmerung herabsank, wurde ihm unbehaglich. Beim Einschlafen, so beichtete er seinem Sekretär Lothar Bucher, »werde ich
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