Einst herrschten Elfen
über den Sitzreihen. Die Würdenträger unten auf der Bühne waren sichtlich nervös, einige sahen sich für den Fall, dass es allzu unangenehm wurde, schon verstohlen nach möglichen Fluchtwegen um.
Katyett behielt die Menge im Auge. Weit vorn, höchstens drei Reihen vor der Bühne, hatten sich vier Tuali verteilt. Sie riefen, beugten sich zu ihren Nachbarn vor, flüsterten und stimmten Gesänge gegen Takaar an.
»Siehst du die?«, fragte Katyett.
»Ja«, sagte Grafyrre.
»Wenn es losgeht, schalten wir diese vier möglichst schnell aus.«
Pelyn hatte ihre Ansprache beendet und kehrte unter bösem Heulen, Beschimpfungen und Beleidigungen zu ihrem Sitzplatz zurück. Katyett beobachtete die Handsignale, die sie ihren Kriegern gab. Die Oberin der TaiGethen biss sich auf die Unterlippe. Die Situation konnte sehr schnell außer Kontrolle geraten. Es gelang ihr nicht, Pelyns Blick einzufangen, als die Anführerin der Al-Arynaar sich umdrehte und verärgert die Menge anblickte.
Als Helias die Hände hob, trat im Raum eine Stille ein, die an einen Gewitterhimmel vor dem nächsten Donnerschlag erinnerte. Jarinn und Lorius kehrten zu den Rednerpulten zurück.
»Wir kommen nun zur Entscheidung«, sagte Helias. Katyett lächelte unwillkürlich über den dramatischen Auftritt des Sprechers. »Ihr habt die Ansprachen der Vertreter beider Seiten gehört. Es waren Worte voller Leidenschaft, Kraft und Überzeugung. Ihr seid es jedoch, die ihr über diese äußerst wichtige Angelegenheit entscheiden sollt. In welche Richtung werden wir uns bewegen? Denkt darüber nach und hört die abschließenden Bemerkungen von Lorius und dann von Jarinn. Ich möchte euch bitten, euch dieses Mal an das Protokoll zu halten. Achtet eure Priester, achtet eure Götter und achtet die Würde dieses Hauses. Lorius, bitte.«
Lorius nickte. »Meine Brüder und Schwestern. Die Entscheidung, Takaar zu ächten, ist nicht gleichbedeutend mit der Zerstörung der Harmonie. Vielmehr ist es die Entscheidung, einen neuen Weg einzuschlagen, auf dem die Elfen aller Linien gleichberechtigt nebeneinanderschreiten. Es ist eine Entscheidung für den Frieden und den Ruhm aller unserer Götter.«
»Jarinn, bitte«, sagte Helias.
Jarinn nickte. »Brüder und Schwestern, wenn wir Takaars Gesetz abschaffen, reißen wir der Harmonie der Elfen das Rückgrat aus dem Leib. Das eine kann nicht ohne das andere existieren. Stimmt dafür, das Gesetz zu erhalten, stimmt für die Harmonie und vermeidet den Absturz in Blutvergießen und Hass.«
Helias nickte den beiden Priestern nacheinander zu.
»Danke. Und jetzt soll die Kammer Platz nehmen.«
Katyetts Herz schlug zum Zerspringen. Im Versammlungssaal suchten die Elfen Stühle, Bänke und freie Plätze auf dem Boden, um sich niederzulassen. Manche konnten nur hocken. Der Raum summte vor gemurmelten Unterhaltungen, es summte wie ein anrückender Insektenschwarm.
»Jetzt stimmen wir ab«, sagte Helias. »Ich bitte um Ruhe. Die Abstimmung wird in gebührender Form ablaufen, oder ich muss sie für ungültig erklären.«
Das Summen und Tuscheln erstarb. Von draußen drangen der Lärm der Wartenden und die allgegenwärtigen Geräusche des Regenwaldes herein, Regentropfen prasselten auf das Dach.
»Diejenigen, die Takaars Gesetz erhalten wollen und dafür sind, dass Takaars Name in Yniss’ Tempel immer noch verehrt werden soll, mögen sich jetzt erheben.«
Hinter Helias standen gut zwei Drittel der Würdenträger auf, doch die meisten Zuschauer folgten deren Beispiel nicht. Nur eine Handvoll Elfen erhob sich, was die anderen mit spöttischem Johlen und Gelächter quittierten. Auf der Bühne ließ Jarinn den Kopf hängen. Helias wartete noch. Unruhe entstand in der Kammer. Die Elfen waren offenbar bereit, auf sein Wort hin aufzuspringen, und konnten sich kaum noch zurückhalten.
»Wer Takaar ächten und Takaars Gesetz aus der Verfassung entfernen will, möge sich nun erheben.«
Der Lärm, der jetzt entstand, erschütterte das ganze Gebäude. Die Elfen sprangen auf, die Schreie hallten unter der Decke, überfluteten die Bühne und hallten wieder zurück. Schon brachen im Zuschauerraum die ersten Handgreiflichkeiten aus. Die wenigen Unterstützer Jarinns mussten für ihren Mut bezahlen. Um die konnte Katyett sich jetzt allerdings nicht kümmern. Hunderte drängten nach vorn zur Bühne, viele hatten auf einmal Fackeln in den Händen und zündeten sie an. Metall blitzte, als einige in offener Verletzung der Gesetze im Gardaryn
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