Einst herrschten Elfen
Gicht wurde immer dann besonders schlimm, wenn er unter großem Druck stand.
Über ihnen zogen Wolken auf, bald würde es wieder einen Guss geben. Die Luft war zum Schneiden dick und sehr warm. Die höchsten Bäume ragten aus dem Blätterdach empor und warteten gierig auf den Regen. Rufend, schreiend und schnatternd flehten unzählige Tiere Gyal an, ihre Tränen zu vergießen. Schon donnerte es hoch über ihnen am Himmel.
Auf der breiten Gyaam-Straße bog Olmaat nach links ab. Vor ihnen erstreckte sich der weite Platz des Gewürzmarkts, der nur jeden zehnten Tag geöffnet war, aber niemals, wenn der Gardaryn tagte. Einige Elfen betrachteten die Auslagen der Geschäfte, die den mit Steinplatten ausgelegten Marktplatz säumten, was für sich genommen schon seltsam genug war.
»Ich hätte doch angenommen, dass sie sich jetzt um alles Mögliche kümmern, nur nicht um Gewürze«, murmelte Lorius.
Als der Regen einsetzte, ertönten hinter ihnen Schritte. Sehr eilige Schritte. Olmaat hielt an und drehte sich um, er war im Nu kampfbereit. Auch Jarinn drehte sich um, doch er lächelte.
»Hithuur«, sagte er. »Ich bin froh, dass du wohlauf bist.«
Der große hagere Schriftgelehrte lebte in Aryndeneth und reiste nur selten in die Stadt. Als gebrochener ula war er zum Tempel gekommen, nachdem die Garonin alle seine Angehörigen getötet hatten. Nur bei Yniss hatte er noch Trost gefunden, inzwischen war er ein eifriger Schüler. Jarinn nahm stark an, dass er viel mehr erreichen wollte, als nur das Aryn Hiil zu lesen, den wichtigsten Text des Glaubens der Ynissul.
Hithuur hatte es nie ausgesprochen, brannte aber vermutlich darauf, als ein Schweigender in den Orden aufgenommen zu werden. Leidenschaft loderte in seinen Augen, und seine Haltung und alle Fragen, die er stellte, verrieten eine große Entschlossenheit. Er suchte nicht die Liebe einer anderen iad , sondern klammerte sich an den Glauben, dass seine Angehörigen noch lebten und eines Tages gefunden und befreit werden konnten.
»Ich musste mich vergewissern, dass du in Sicherheit bist.« Hithuur trottete zu ihnen und klappte den Hemdkragen hoch, um sich vor dem Regen zu schützen.
»Ich bin bei Olmaat, besser beschützt könnte ich kaum sein.«
Hithuur lächelte nicht. »Wenn du über den Gewürzmarkt gehst, wirst du auf Schwierigkeiten stoßen. Ich kenne ein Stückchen im Norden einen sicheren Unterschlupf.«
Inzwischen regnete es in Strömen, die Tropfen sprangen vom Pflaster wieder hoch oder prasselten auf die kuppelförmigen und spitzen Dächer in der Nähe. Olmaat schob sich zwischen Jarinn und Hithuur.
»Welche Schwierigkeiten gibt es denn hinter dem Markt?«, fragte Olmaat.
»Wir haben erfahren, dass …«, Hithuur warf einen kurzen Blick zu Lorius, »… dass Elfen anderer Linien dich entführen wollen. Sie wollen dich als Faustpfand in einem Machtkampf einsetzen. Ihnen ist bekannt, dass es nicht viele Wege gibt, auf denen du den Gardaryn verlassen kannst. Du solltest dich vorerst verstecken, Hohepriester Jarinn. Wir können weiterziehen, wenn sich die Aufregung etwas gelegt hat.«
»Das scheint mir ein vernünftiger Vorschlag zu sein«, meinte Jarinn. Nun war er doch etwas besorgt, aber vor allem empfand er tiefe Trauer. »Siehst du, Lorius? Deine Pläne sind schlecht durchdacht.«
»Wo ist das sichere Haus?«, fragte Olmaat.
»Es ist das Hausolis-Theater.«
»Ein bedeutendes öffentliches Gebäude«, erwiderte Olmaat. »Hättest du nicht etwas noch Auffälligeres finden können? Vielleicht die Wiese auf dem Tempelplatz?«
Hithuurs Miene verfinsterte sich. »Vieles spricht für dieses Haus, nicht zuletzt die Tatsache, dass es während der Trauerzeit für Jilad Kantur geschlossen ist. Auf der Rückseite kann niemand beobachten, wer dort eintritt oder hinausgeht. Es ist sicher.«
»Das werde ich selbst entscheiden«, sagte Olmaat. »Tai – hundert Schritte nach vorn, links und rechts. Schnell und leise.«
Olmaats Tai wandten sich nach Norden. An den Ecken einer Seitenstraße kletterten sie schneller an Häusern empor, als die meisten anderen Elfen auf geradem Weg laufen konnten. Auf den Dachziegeln, die dazu geeignet waren, schwerste Regenfälle in die Abflüsse, Schächte und Kanäle zu leiten, sprangen sie hinauf, als seien es flache Treppenstufen. Jarinn blickte ihnen nach und musste trotz der schwierigen Lage, des Regens und der Gliederschmerzen lächeln.
»Ein beeindruckender Anblick«, sagte er zu Hithuur. Der Adept drehte sich zu ihm um;
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