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Einstein - Einblicke in Seine Gedankenwelt

Einstein - Einblicke in Seine Gedankenwelt

Titel: Einstein - Einblicke in Seine Gedankenwelt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Moszkowski
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Unvorstellbares gerate. Lotze hält den zweiten Grenzfall für leichter, mir kommter schwerer vor. Also die Kraft, die ein Keil ausübt, steht doch im umgekehrten Verhältnis zur Breite seines Rückens. Verschwindet diese gänzlich, so ergibt die Formel eine unendliche Wirkung, während sie tatsächlich Null ist. Der verdünnte, in eine geometrische Ebene verwandelte Keil müßte jeden Holzklotz, jeden Stahlblock direkt spalten können. Und nun stelle ich mir den Keil noch in einer besonderen Konstruktion vor, nämlich unten unendlich fein, unendlich scharf, nach oben sich verbreiternd zu einer mit einem Gewicht beschwerten Tragfläche. Da ergibt sich als Unglaublichkeit die Folge, daß dieser gegenständlich doch vorstellbare Keil, wenn ich ihn auf eine Unterlage aufsetze, die ganze Erde durchschneiden müßte. Wo liegt da der Denkfehler?
    Einstein : In der Unzulänglichkeit der mechanischen Betrachtung. – Er versinnlichte das weitere durch einige Federstriche und bewies mir an dieser Konstruktionszeichnung, daß ein so geformter Keil das Vorausgesetzte nur dann zu leisten vermöchte, wenn die Unterlage aus einzelnen Lamellen bestünde. Andernfalls wäre die Annahme einer unendlichen Kraft fehlerhaft.
    * * *
    Nach dieser Abschweifung auf einen irdischen Grenzfall kehrten wir zu Universalerem zurück, und die Frage nach der Unendlichkeit oder Endlichkeit der Welt tauchte auf. Einstein hatte kurz zuvor in der Akademie darüber gesprochen, in sehr schwierigen Ausführungen, für die ich eine leichtfaßliche Erklärung wenigstens in losen Grundzügen erhoffte.
    Es ist ein Urproblem, und wer von den Grenzen der Welt spricht, versucht auch die Grenzen des Verstandes abzuschreiten. Dieser entscheidet sich beim normal Denkenden im ersten Anlauf fast durchgängig für die »Un«endlichkeit, denn, so argumentiert er, eine endliche Welt ist unvorstellbar. Deshalb, weil man beim ersten Gedanken an eine Begrenztheit auf die Frage stoßen wird: Ja, was liegt denn »jenseits« der Grenze? irgend etwas muß doch vorhanden sein, und wäre es auch nur der leere Raum. Man gerät da unweigerlich an die erste der Kantischen »Antinomieen«, mit Thesis und Antithesis, aus denen es kein Entweichen gibt. Denn was bedeutet es, daß der geängstigte Verstand zur »Unendlichkeit« flieht? Gar nichts anderes, als daß er sich einem Negativbegriff preisgibt, der ihm an sich nichtdas geringste sagt und erklärt, vielmehr nur das eine, daß die erste Annahme, die von der Endlichkeit, nicht auszudenken ist.
    Außerdem meldet sich aber eine zweite Angstfrage: Ist die Anzahl der Weltkörper im Raume endlich oder unendlich? Wird diese Frage auf den unvorstellbaren, aber trotzdem vorausgesetzten Unendlichkeitsraum bezogen, so ist allerdings eine zweifache Beantwortung möglich. Denn eine endliche Anzahl von Körpern ist nicht geradezu undenkbar, selbst wenn man für den Raum an keiner Grenze halt zu machen vermag.
    Während die allgemeine Weltfrage, die Raumfrage, gänzlich der spekulativen Philosophie angehört, besitzt die Körperfrage nicht durchaus einen metaphysischen Charakter, sondern auch einen naturwissenschaftlichen, und ist auch demzufolge naturwissenschaftlich behandelt worden. Der große Astronom Herschel glaubte sie aus optischen Prinzipien lösen zu können und gelangte zu der Behauptung, die Anzahl der Weltkörper müsse endlich sein, da sonst der Anblick des gestirnten Firmaments, nach Helligkeitsgrad betrachtet, ein ganz anderer sein würde. Aber dieser Beweis hat sich in der Wissenschaftswelt nicht durchgesetzt; denn die Zahl der sonnenartigen Fixsterne könnte endlich sein, bei gleichzeitigem Bestehen einer Unendlichkeit dunkler Weltkörper.
    Eine weitere Frage tauchte auf: Wäre es möglich, daß nur ein gewisser Teil des Himmels (etwa nördlich der Ekliptik) die Weltkörper in Unendlichkeit enthielte, ein anderer aber nicht? Das hört sich zunächst sehr abenteuerlich an, ist aber durchaus nicht unsinnig, wie man an einem begreiflichen Beispiel erkennt: Zählt man auf der Temperaturskala von irgendeinem Punkt aus die Wärmegrade, so sind diese aufwärts gemessen unendlich, während sie abwärts nur bis minus 273 Grad, bis zum absoluten Nullpunkt der Temperatur reichen. Sonach ist eine Anordnung vorstellbar, in der die Unendlichkeit nur einseitig auftritt.
    Um an die bald zu erörternden Ausführungen von Einstein heranzukönnen, muß man sich erst von einer gewissen Sprachwillkür losmachen, die darin besteht, daß wir in der

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