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Einstein - Einblicke in Seine Gedankenwelt

Einstein - Einblicke in Seine Gedankenwelt

Titel: Einstein - Einblicke in Seine Gedankenwelt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Moszkowski
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sich versucht, ein mythisches Gleichnis anzuwenden: Wie die Welt nach biblischer Vorstellung aus dem Nichts hervorging, so steigt aus dem »Nichts« jenes Versuches eine neue Welt empor, eine Erkenntniswelt, ein Kosmos der Gedanken, in dem eine vollendete, man könnte sagen künstlerische Harmonie waltet.
    Seine Wahrheit trug er in sich, vor allem experimentellen Beweis. Aber auch diese Wahrheitserfüllung ist Tatsache geworden im Experimentum crucis, zu welchem Sonne und Sterne das Material lieferten. Davon wird an andern Stellen dieses Buches gesprochen.
    »Das eigentlich Wertvolle ist im Grunde die Intuition!« hatte Einstein zu mir gesagt. An das Wort des Huyghens mußte ich denken, von dem Genius, der ohne Zufallshilfe das Fernrohr hätte erschaffen können. Saß er mir nicht gegenüber, dieser von Huyghens imaginierte Geist? Ich bejahte mir im Stillen diese Frage, denn Einsteins Gedankenbau erschien mir in diesem Moment wie ein aus reiner Anschauung erwachsenes, bis an die Weltgrenzen reichendes Teleskop für den menschlichen Intellekt!

Aus verschiedenen Welten.
    Gedankenexperiment mit »Lumen«. – Unmöglichkeiten. – Eine zerstörte Illusion. – Ist die Welt unendlich? – Flächenwesen und Schattenwanderungen. – Was ist Jenseits. – Fernwirkung. – Mehrdimensionales. – Hypnotismus. – Erinnerungen an Zöllner. – Wissenschaft und Dogma. – Prozeß Galilei.
    In einem Gespräche aus den Apriltagen 1920 wurde mir eine liebgewordene Illusion zerstört.
    Es handelte sich um die phantastische Figur des »Lumen« , als um ein körperlich, menschlich vorgestelltes Wesen, dem das Gedankenexperiment eine ganz außerordentliche Beweglichkeit und Scharfsichtigkeit beilegt. Dieser Herr Lumen gilt als die Erfindung des Astronomen Flammarion, der ihn in der Phantasieretorte wie einen Homunkulus erzeugte, um durch ihn höchst absonderliche Dinge zu beweisen; so besonders die Möglichkeit einer Zeitumkehrung.
    Einstein erklärte von vornherein: Erstens stammt dieser Monsieur Lumen nicht von Flammarion, der ihn vielmehr aus anderen Quellen bezogen, nur popularisiert hat, und zweitens ist mit dem Lumen als Beweismittel gar nichts anzufangen.
    Ich : Es ist doch zum mindesten sehr interessant, mit ihm zu operieren. Lumen soll Überlichtgeschwindigkeit besitzen. Nehmen wir diese Prämisse als gegeben, dann scheint sich doch das weitere ohne logischen Zwang anzugliedern. Er soll zum Beispiel die Erde am Tage eines großen Ereignisses, sagen wir der Schlacht von Waterloo, verlassen, und – – darf ich das Beispiel ausführen, auf die Gefahr hin, Ihnen damit auf die Nerven zu fallen?
    Einstein : Wiederholen Sie nur und tun Sie so, als ob Sie etwas Nagelneues erzählten. Ihnen macht ja die Lumen-Geschichte ersichtlich enormen Spaß, also legen Sie sich keinen Zwang auf. Natürlich behalte ich mir vor, Ihnen nachher das ganze Abenteuer mit allen seinen Folgen kaput zu machen.
    Ich : Also die Person Lumen fliegt gegen Ende jener Schlacht von Waterloo ab, in den Weltraum hinein, und zwar mit einer Geschwindigkeit von 400 000 Kilometern in der Sekunde. Er überholt also alle Lichtstrahlen, die in der nämlichen Sekunde vom irdischen Schlachtfelde ausgingen und nicht nur diese, sondern auch die der vorangehenden Sekunden. Nach einer Stunde besitzt er bereits einen Vorsprung von 20 Minuten; und dieser Vorsprung vergrößert sich dermaßen, daß er am zweiten Tage nicht mehr das Ende der Schlacht wahrnimmt, sondern deren Anfang. Was hat Lumen in der Zwischenzeit gesehen? Offenbar die Ereignisse in verkehrter Reihenfolge, wie in einem umgekehrt gekurbelten Kinematographen. Er sah die Projektile, wie sie vom Ziel rückwärts in die Kanonenrohre hineinflogen. Er sah die Toten lebendig werden, aufstehen, und sich in die Truppenkörper einordnen. Er muß daher zu einer der unsrigen schnurstracks entgegengesetzten Metronomisierung der Zeit gelangen, denn das, was er wahrnimmt, ist sein Erlebnis, so wie unser Erlebnis ist, was wir sehen. Hätte er alle Schlachten der Weltgeschichte und überhaupt alle Vorgänge niemals anders gesehen, als im umgekehrten Ablauf, so müßte sich in seiner Erkenntnis alles Vorher und Nachher prinzipiell vertauschen. Das heißt, er erlebt die Zeit in umgekehrter Richtung, unsere Ursache wird seine Wirkung, unsere Wirkung wird seine Ursache, Grund und Folge wechseln für ihn die Rollen, er gelangt zu einer anderen, der unseren entgegengesetzten Kausalität, und er wäre infolge seiner Erfahrungen zu

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