Einstein - Einblicke in Seine Gedankenwelt
einzige kannte, und bei denen von irgendwelcher versteckter Mitwirkung absolut nicht die Rede sein konnte. Und ich versichere Ihnen, es glückte ihm alles ohne Ausnahme; eine Sekunde genügte ihm, um seinen Willen auf jede Versuchsperson zu übertragen, er operierte mit den Anwesenden wie ein überlegener Dämon.
Einstein : Ich möchte Beispiele hören.
Ich : Herr von Oelschläger präsentierte vier junge Jockeys und schlug vor, ein Wettrennen im großen Salon zu veranstalten. Hansen setzte sie rittlings auf Stühle, hypnotisierte sie augenblicklich, beschrieb ihnen das Laufgelände geometrisch nach Erstreckung in Kilometern, Kurvenlage und Preishöhe, gab das Startkommando, und sofort behandelten die Jockeys ihre Stühle genau wie Rennpferde mit allen Merkmalen intensivster Reitanstrengung.
Einstein : Das ist noch nicht beweiskräftig. Die Versuchspersonen können das Bewußtsein behalten haben, daß sie einer exzentrischen Schaustellung dienen sollten. Ihre Gefügigkeit in einer vorgeschriebenen Rolle brauchte durchaus noch nicht zu bedeuten, daß sie subjektiv von der Wirklichkeit der Aktion überzeugt waren.
Ich : Hierin bestand eben nicht der geringste Zweifel. Nach wenigen Sekunden floß ihnen der Rennschweiß in Strömen über die ganze Figur, und ein solches Symptom tritt nur auf, wenn die Teilnehmer von dem absoluten Ernst Ihrer Tätigkeit durchdrungen sind. Wer diesen verblüffenden Ritt erblickte, dererlebte eine groteske Wirklichkeit, der sah in eine fremde Traumwelt, welche die hölzernen Stühle in lebendige Renner verwandelte. In Fortsetzung seiner Willensdiktate experimentierte Hansen mit einer damals sehr berühmten Schauspielerin, die ihm wie alle Eingeladenen persönlich ganz fern stand. Wiederum akute Hypnose, mit der Ansage: Ich werde Ihnen etliche Fragen vorlegen, die Sie sämtlich richtig beantworten können, mit einer Ausnahme: Sie werden Ihren Namen vergessen haben. Und so geschah es; die Schauspielerin gab in Trance korrekte Antworten, aber auf die Frage »Wie heißen Sie?« war ihr der eigene Name – Helene Odilon – entschwunden. Und sie selbst sagte mir unmittelbar darauf, sie wäre trotz der Betäubung bei vollem Bewußtsein geblieben, hätte alles verstanden, alle Erinnerung gegenwärtig gehabt bis auf den einen kritischen Fall, da sie mit aller Anstrengung nicht auf die Worte Helene Odilon zu kommen vermochte. Aber Hansen blieb nicht beim Gedankendiktat stehen, er transformierte auch Körperlichkeiten. Einen Stallburschen verwandelte er durch einmaligen Strich mit der Hand in einen fühllosen, starren Klotz. Nie hätte ich einen so intensiven Starrkrampf überhaupt für möglich gehalten. Er legte den Menschen mit Kopf- und Fußende über zwei Unterstützungspunkte, so daß der Körper frei in der Luft schwebte, Rücken nach unten, stellte sich ihm in seiner ganzen Mannesschwere mitten auf den Leib, ohne daß der Starrkörper des Burschen sich auch nur um einen Zoll gebogen hätte.
Einstein : Und wie stellte er in allen Fällen den normalen Zustand wieder her?
Ich : Immer nur mit einer einzigen Handbewegung, die wie alles bei ihm, blitzartig wirkte. Man muß zugeben, daß seine Vorführungen, auf die Dauer gesehen, etwas eintönig ausfielen, und im Programm nicht allzuviel Variationen zuließen. Anders verhielt es sich aber mit einem Manne, der einige Jahre vorher als Träger okkulter Erscheinungen durch die Welt zog, und dessen sich die Gelehrten vielleicht einmal in Zukunft mit einem gewissen Bedauern erinnern werden. Als er auftrat, nahmen die meisten großen Akademiker nur insoweit von ihm Notiz, als sie ihn verwarfen, ohne ihn geprüft zu haben. Es war der Amerikaner Henry Slade , nicht zu verwechseln mit anderen Slades, die sich den Namen aneigneten, um kuriositätslüsterne Zuschauer zu betölpeln.
Einstein : Man sollte annehmen, daß Ihr echter Henry Slade Ihnen darin als Vorbild gedient hat.
Ich : Das halte ich aus bestimmten Gründen für ausgeschlossen.Wesentlich deshalb, weil dieser echte Slade wohl nur gelegentlich »Vorstellungen« gab, während er in der Hauptsache darauf ausging, die Gelehrten zu interessieren. Er selbst behauptete dauernd, daß er seine eigenen Leistungen nicht verstünde, und er verlangte unausgesetzt die Kontrolle wirklicher Physiker und Physiologen, denen die Seltsamkeiten seiner Natur als Studienobjekte dienen sollten. Mit dem Ergebnis, daß Männer wie Dubois-Reymond, Helmholtz, Virchow sich weigerten, ihn zu sehen, geschweige denn, mit
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