Einstein - Einblicke in Seine Gedankenwelt
darf darüber gar keinen Zweifel aufkommen lassen: Einstein persönlich hält in der Unbeirrbarkeit seines Denkens an dem streng mathematisch definierten Begriff des Unendlichen fest und läßt sich hierin kein Kompromiß mit etwas Nichtunendlichem gefallen. Als ich bei einem früheren Anlaß einmal versuchte, auf ein solches Kompromiß mit Vertauschungsgrenze hinzusteuern, half es mir nichts, daß ich mich für die Möglichkeit solcher Operation auf Helmholtz berief; ich wurde kurz zur Ordnung gerufen.
* * *
Im Verfolg jener Weltbetrachtungen gelangten wir an Dinge, die im vulgären Sprachgebrauch vielfach als »Okkult« bezeichnet werden. »Ich bin natürlich weit entfernt davon, zwischen der Vierdimensionalität, wie Sie, Herr Professor Einstein, sie etablieren, und der Vierdimensionalität gewisser spiritistischer Pseudophilosophen irgendwelche Beziehung herauszuspüren; allein die Vermutung liegt doch nahe, daß man in diesen Kreisen sich anstrengen wird, aus der Gleichheit des Wortes für okkulte Zwecke Kapital zu schlagen. Und mehr als die bloße Vermutung. Im Felde Ignoranz gibt es kein Bedenken, und so hat man tatsächlich angefangen, Einstein zu zitieren, wo es sich um mediumistische Experimente mit dem Beigeschmack des Vierdimensionalen handelt.
Man wird es mir nicht zumuten, sagte Einstein, mich überhaupt in Auseinandersetzung mit Nichtswissern und Falschverstehern einzulassen. Lassen wir also diese beiseit und beschränken wir uns auf eine kurze Erörterung des Begriffes »Okkult«, da dieser auch in der ernsten Wissenschaft eine Rolle gespielt hat. Das geschichtlich hervorstechendste Hauptbeispiel ist die Gravitation. Huyghens und Leibniz lehnten sie ab, denn sie sagten: so wie Newton sie versteht und vertritt, ist sie eine Fernwirkung , und eine solche gehört ins Bereich des Okkultismus. Sie widerspricht, wie alles Okkulte, der kausalen Ordnung in der Natur. Den Widerspruch Huyghens und Leibnizens darf man nicht etwa auf mangelnde Denkschärfe zurückführen, vielmehr sträubten sie sich aus Gründen, zu denen sie sich als Forscher sehr wohl bekennen durften. Denn soweit die Alltagserfahrung reicht, ist jede gegenseitige Beeinflussung der Naturdinge an eine unmittelbare Berührung gebunden; so in Druck und Stoß, dann auch in chemischer Wirkung, zum Beispiel im Entzünden einer Flamme. Daß der Schall scheinbar eine Ausnahme bildet, ebenso das Sehen, wird in der Regel als Widerspruch gegen die Forderung der Unmittelbarkeit nicht empfunden. Weit auffälliger erscheint ein Magnet, weil dessen Effekt als eine direkte Kraftentfaltung in die Sinne fällt. Ich will dabei erwähnen, daß für mich selbst, in meiner allerfrühesten Jugend, die allererste Bekanntschaft mit einem Kompaß, der mir gezeigt wurde, bevor ich noch einen Magneten gesehen, eine Sensation war, die ich noch heut fürs ganze Leben als maßgebend bezeichnen möchte. Es liegt aber auch wirklich ein prinzipieller Unterschied vor, schon in den Dingen der Alltagserfahrung, zwischen Druck und Stoß einerseits, und dem, was man hört und sieht anderseits. Bei Licht und Schall muß dauerndetwas »geschehen«, damit die Wirkung eintritt und sich fortsetzt ...
Hier scheint doch aber noch ein anderer Unterschied obzuwalten, warf ich ein. Läßt sich denn, wenn von Gravitation die Rede ist, mit den Begriffen von Druck und Stoß auskommen? Ein Fern- Druck wäre den Zeitgenossen Newtons vielleicht noch gar nicht so unverständlich gewesen, wie ein Fern- Zug ; und ich meine, daß die bloße Vorstellung des Ziehens, des Hingezogenwerdens zu einem fernen Körper, eine ganz besondere Denkschwierigkeit verursacht.
Einstein hält diesen Unterschied für nicht sehr erheblich, und jedenfalls für überwindbar, sogar in direkter Anschaulichkeit. Wird die Kraft, so erläuterte er, durch eine korpuskulare Fortpflanzung ausgeübt, so kann man sich einen »Kraft-Schatten« vorstellen, in den die ausgeschleuderten Korpuskeln nicht zu dringen vermögen. Schiebt sich also zwischen den Körper A und den Körper B ein Hindernis, das den Kraftschatten bedingt, so wird B auf der dem A zugewendeten Seite einen geringern Druck, d. h. von der andern Seite einem um so stärkeren Korpuskulardruck ausgesetzt, mit der Wirkung, daß B in der Richtung A gedrückt wird; und der Beobachter gewänne dadurch den Eindruck eines Hingezogenwerdens. Heute, wo die Lehre vom »Kraft-Feld« alle physikalische Anschauung beherrscht, braucht man sich freilich um die korpuskularen
Weitere Kostenlose Bücher