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Einstein - Einblicke in Seine Gedankenwelt

Einstein - Einblicke in Seine Gedankenwelt

Titel: Einstein - Einblicke in Seine Gedankenwelt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Moszkowski
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Raimundus Lullus, Sylvester II. wurden als Zauberer angesprochen, und noch heute ist solche Taxe im Schwange; an den ganz modernen Edison hat sich die Bezeichnung »der Zauberer von Menlo-Park« geheftet. Im Horizont des Volkes verschwimmt Entdeckung und Erfindung, Geniales und Supranaturalistisches, und Ihnen selbst, Herr Professor Einstein, kann es begegnen, daß Ihre Forschungen von der Legende umrankt werden. Ich will gar nicht ausdenken, was Ihnen geblüht hätte, wenn Ihre Relativitätstheorie etwa zur Zeit der Inquisition aufgekommen wäre. Denn das, was Giordano Bruno bekannte, war doch nur Kinderspiel gegen Ihre Weltkonstruktion im geschlossenen quasisphärischen, hypereuklidisch zu ermessenden Raum. Das Inquisitionstribunal hätte Ihre Differentialgleichungen Gravitationspotentiale, Tensoren und Äquivalenzen nichtverstanden, vielmehr kurzerhand die ganze Lehre auf die Formel der Zauberei, des Teufelsspuks gebracht und in die Feuerwerksbeleuchtung seiner Scheiterhaufen gerückt.
    Einstein : Sie übertreiben ersichtlich. Das mathematisch-physikalische und rein astronomische an sich ist von der Kurie eigentlich nie angegriffen worden, hat vielmehr bis in die Neuzeit rege Förderung von ihr erfahren. Wie sich schon daraus zeigt, daß man eine ganze Liste von Ordensbrüdern, besonders Jesuiten, aufstellen kann, die in den exakten Naturwissenschaften Vorzügliches geleistet haben. Aber wie ich Sie kenne, werden Sie einmal einen phantastischen Prozeß entwerfen, in dem sich das neue Weltsystem gegen das Sanctum Officium zu verteidigen hat.
    Ich : Das wäre, schriftstellerisch genommen, eine recht lohnende Aufgabe. Was ließen sich da für Register ziehen, wenn man die beiden Welten gegeneinander ins Treffen führte, die relativierte Welt gegen die absolute, wie sie in Tradition und Dogma festgelegt ist. Aber man braucht die historische Phantasie gar nicht zu bemühen, denn im Grunde genommen steht die Lehre vom Weltenbau auch heute noch im Kampfe gegen ererbte Vorstellungen, die mit dogmatischer Gewalt fortwirken. Leugnen wir es nicht: im Kopfe jedes Gebildeten, der sich zum erstenmal den Einsichten Lorentz', Minkowskis, Einsteins öffnet, bäumen sich Widerstände, ereignen sich Tumulte pro und contra, und jeder erlebt in sich die Aufregungen eines Inquisitionstribunals. Der Triumph der neuen Lehre geht über Begriffsleichen, die auf der Wahlstatt unseres Denkens liegen und lange genug ein spukhaftes Dasein fortführen. Noch wissen die wenigsten, welche weitere innere Revolution uns auf Grund der Einsteinschen Erkenntnisse bevorstehen, nur im Unterbewußtsein regen sich Ahnungen, die uns das Ende scheinbar unerschütterlicher Denkformen prophezeien. Wird erst das Kausalitätsprinzip relativiert, jede »Eigenschaft« in Vorgänge aufgelöst, alles Dreidimensionale als eine Abstraktion aus der allein gültigen vierdimensionalen Wirklichkeit begriffen, dann wird es Zeit, der gesamten Philosophie, die uns vordem als Geistesstütze diente, den Sarg zu bestellen.
    Ein Rückblick auf die Prozesse des Giordano Bruno und Galileo Galilei bietet in der Tat Vergleichspunkte, freilich auch andere, als die landläufige Schulweisheit gewinnen könnte. Und wenn wir heut Einstein als den Galilei des zwanzigsten Jahrhunderts ausrufen, so muß ergänzt werden: Im Charakter ist er ein Bruno, und glücklicherweise kein Galilei. Er ist nämlich gar nicht wahr, daß dieser mit einem »eppur si muove (und sie bewegt sich doch) « als moralischer Sieger aus der Verfolgung schritt, vielmehr hat er, obschon von einflußreichen Prälaten bis zum Papst empor beschirmt, sich feige geduckt, seine Wissenschaft verraten und sich selbst samt dem Kopernikus verleugnet. Soll man sichs ausmalen, wie Einstein in ähnlicher, unwiederholbarer Lage handeln würde?
    Wer seines Wesens einen Hauch verspürt hat, dem wird es klar sein: damals, vor dreihundert Jahren lag das Szenarium vor für eines der größten und schönsten Dramen, »Welt gegen Welt«. Fehlte bloß die eine Bedingung, die sittliche Energie des Helden. Durch diese Verfehlung hat sich die Weltgeschichte damals den Schlußakt verdorben. Und eine schönfärberische Legende mußte später nachhelfen, um das Stück für das sittliche Empfinden der Nachwelt zu retten.

Probleme.
    Zukunftsfragen. – Drei-Körper-Problem. – Begriff der Annäherung. – Die Aufgabe der Mechanik. – Einfachheit der Beschreibung. – Grenzen der Erweislichkeit. – Betrachtungen über den Kreis. – Aus der

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