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Einstein - Einblicke in Seine Gedankenwelt

Einstein - Einblicke in Seine Gedankenwelt

Titel: Einstein - Einblicke in Seine Gedankenwelt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Moszkowski
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noch ein klein bißchen darüber; was sich ja in roher Abkürzung mit dem wahren Sachverhalt deckt.
    Mehr und mehr befestigte sich die Einsicht, daß in diesem π ein Grundpfeiler mathematischer Anschauung und Rechnung gegeben sei. Und je stärker das Problem der Quadratur des Zirkels die Geister beschäftigte, desto eifriger wurden die Bemühungen, jenem talmudischen »noch ein bißchen darüber« restlos beizukommen. Wir wissen seit 1770, daß dies nicht möglich ist, denn π ist nicht rational, das heißt, nur durch einen unendlichen, in sich unregelmäßigen (nicht periodischen) Dezimalausdruck zu erfassen; es behauptet sogar darüber hinaus noch einen Sonderrang als Transzendente, was erst Lindemann 1882 dem lebenden Geschlechte bewiesen hat. Doch selbst heut gibt es noch unheilbare Quadrierbolde, die der Problemlösung nachjagen, weil sie von dem Wahne nicht loskommen, ein so einfaches Gebilde wie der Kreis müsse schließlich irgend einem Konstruktionsverfahren erliegen.
    Der korrekte Weg führt zur immer genaueren Feststellung der Dezimalstellen. Jener Ludolf van Ceulen war bis zur 35. Dezimale vorgedrungen, an der Wende des 18. Jahrhunderts gab es für π das Jubiläum der 100. Dezimale, seit 1844 besitzen wir es durch den Kopfrechner Dase bis zur 200. Dezimale genau, und selbst die verwegensten Ansprüche werden sich dabei bescheiden dürfen. Denn diese Kreisgröße zeigt in geradezu klassischer Weise, daß schon eine in winzigen Ziffern ausdrückbare Annäherung Genauigkeitsgrade erwirkt, die nur mit phantastischen Mitteln beschrieben werden können.
    Wir nehmen einen Kreis von der Größe des Erdäquators, multiplizieren den Erddurchmesser mit einem bestimmten π, und wissen im voraus: die Multiplikation wird nicht ganz genau die Größe des Äquators erreichen, ein kleiner Fehlerrest wird immer zurückbleiben. Hält sich dieser Fehler, sagen wir etwa unter einem Meter, so wäre die Genauigkeit schon außerordentlich groß, denn ein Meter bedeutet auf einem Kolossalkreis wie dem Erdumfang so gut wie nichts.
    Die Forderung soll sich aber zuspitzen. Wir verlangen, daß der Fehler auf alle Fälle noch lange nicht die Dicke eines allerfeinsten Damenhaares erreiche. Und wir ermitteln: das hierfür aufzuwendende π braucht höchstens bis zur 15. Dezimale genauzu sein. Operieren wir also mit π = 3,141592653589793, so gebrauchen wir ein Rechnungsinstrument, das für jede irdische Kreismessung den möglichen Fehler unter alle sinnliche Wahrnehmung herabdrückt.
    Schreiten wir über die Erde hinaus in den Weltenraum bis zu Kreisen vom Ausmaß einer Planetenbahn, der Milchstraße, ja, der gesamten sichtbaren Sternenwelt; und wir wollen selbst bei diesen Ungeheuerlichkeiten so genau verfahren, daß der Restfehler kleiner wird, als die kleinste durch irgend ein Mikroskop bemerkbare Länge: so leistet die ausgewachsene Ludolf-Zahl das Verlangte, wiewohl immer noch mit dem Vorbehalt: semper aliquid haeret, etwas Ungelöstes bleibt im Exempel haften.
    Derartige zahlenmäßige Annäherungen, so lehrreich sie auch erscheinen mögen, bewahren doch vergleichsweise spielerischen Charakter und zeigen nur eine oberflächliche Analogie zu den wichtigeren Annäherungen in der Erkenntnis der Naturgesetze selbst. Diese sind es vornehmlich, die sich uns in Einsteins Lebenswerk so bedeutsam offenbaren, und sie verhalten sich zu jenen, wie die Wahrheit zur Richtigkeit. Die Wahrheit umspannt den größtdenkbaren Ideenkreis und strebt weit hinaus über die Sphäre der Richtigkeit, welche nur Maßverhältnisse betrifft, nicht die Dinge an sich. Wenn Einstein, wie wir erfahren, die Wahrheit als das alleinige Ziel der Wissenschaft erklärt und fordert, so meint er tatsächlich die aus der Natur zu erforschende, streng objektive Wahrheit, den wirklichen Zusammenhang der Erscheinungen und Geschehnisse, unabhängig davon, ob die grübelnde Philosophie hinter diese letzte Objektivität etwa noch ein Fragezeichen setzt. Ein großer Naturforscher kann und darf gar nicht anders verfahren; für ihn sitzt hinter den Maja-Schleiern nicht ein Phantom, das sich schließlich verflüchtigt, sondern etwas Erkennbares, das immer deutlicher, realer hervortritt, je mehr Schleier er in fortgesetzter Annäherung entfernt.
    Als in jenem Gespräch von der »Zukunft der Wissenschaften« die Rede war, entwickelte mir Einstein weit hinausstreifend über die Ansichten und Prognosen der vorerwähnten Gelehrten:
    »Bis jetzt betrachten wir die Naturgesetze nur unter

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