Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Einstein, Orpheus und andere

Einstein, Orpheus und andere

Titel: Einstein, Orpheus und andere Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Samuel R. Delany
Vom Netzwerk:
kommt. Nur war ich mindestens noch zwei Stockwerke weiter unten. Ich lag an einem zweiten Abzug, genauso einer wie der, in den ich hineingesprungen war.
    Dann von irgendwoher das Brüllen von einem Stier, als Echo immer noch durch dieses tiefe Gestein vernehmbar.
    Ich zog mich an den Gitterstäben in die Höhe, meine Ellbogen schmerzten, die Schultern zerschunden, im Schenkel irgendwas schmerzhaft verzerrt. Ich schaute in den darunterliegenden Raum hinab.
    Früher muß es mal einen Boden auf gleicher Höhe mit dem Fuß des Gitters gegeben haben, aber der Großteil war vor langer Zeit eingebrochen. Jetzt hatte der Raum die doppelte Höhe, das Gitter lag mindestens drei Meter über dem jetzigen Grund.
    Der Raum war rund, siebzig, achtzig Meter im Durchmesser. Die Wände waren behauener Stein oder blanker Fels und wuchsen grau dem fernen Licht entgegen. Es gab viele gewölbte Eingänge in dunkle Gänge.
    In der Mitte stand eine Maschine.
    Während ich sie betrachtete, begann sie sehnsüchtig in sich hineinzusummen, und mehrere Lichtkonsolen bildeten blitzend ein Lichtmuster, erstarrten, bildeten blitzend ein anderes Muster. Ein Computer aus der alten Zeit; ein paar davon kicherten und ratterten verstreut noch in der Quellenhöhle. Man hatte sie mir beschrieben, aber dies da war der erste, den ich sah.
    Was mich geweckt hatte …
    … war die Klage des Tieres.
    Mit gesenktem Kopf, das Fell über den Hügeln der Schulter gesträubt, glänzend vom Wasser der Decke, krümmte er sich in den Raum hinein, schleifte die Knöchel der einen Hand neben sich her, die andere – die ich zweimal getroffen hatte – war eng an den Bauch gepreßt.
    Und auf drei Beinen humpelte ein vierbeiniges Tier (sogar eines mit Händen).
    Er blinzelte im Raum umher und jammerte erneut, die Stimme verlor rasch alles Klagende und schlug in Wut über. Er brach mit einem Schnauben ab, schaute um sich und wußte, ich war da.
    Ich kauerte nun hinter dem Gitter und schaute zurück und hinauf und hinab und konnte keinen Ausweg finden. Jag ihn, hatte Lo Hawk gesagt.
    Der Jäger kann eine recht armselige Kreatur sein.
    Er schwang den Kopf wieder herum, witterte in der Luft nach mir, seine verletzte Hand zuckte oben an seinem Bauch.
    Der Computer pfiff einige Noten aus einer der alten Melodien, irgendeinen Chor aus Carmen. Die Stierbestie starrte ihn verständnislos an.
    Wie sollte ich ihn jagen?
    Ich nahm die Armbrust ab und zielte durch das Gitter. Es würde nutzlos sein, wenn ich ihn nicht gerade ins Auge träfe. Und er schaute nicht in meine Richtung.
    Ich senkte den Bogen und nahm das Messer auf. Ich hob es an den Mund und blies. Blut kam blasig aus den Löchern. Dann brachen die Töne hervor und flogen schwirrend durch den Raum.
    Er hob den Kopf und starrte mich an.
    Hoch den Bogen; ich zielte durch die Gitterstäbe, drückte ab …
    Er schoß wütend nach vorn, die Hörner schwankten, er wurde größer und größer und größer in dem steinernen Rahmen. Ich fiel nach hinten, als mich das Brüllen umhüllte, schloß meine Augen vor dem Anblick: sein Auge floß rings um meinen Bolzen aus. Er packte die Stäbe, hinter denen ich kauerte.
    Metall kreischte über Stein, Stein brach von Stein los. Und dann war der Rahmen viel größer, als er es zuvor gewesen war. Er schleuderte das verbogene Gitter quer durch den Raum gegen eine Wand, die Wucht brach Steinstücke heraus.
    Dann griff er nach mir, packte mich, Beine und Becken, mit seiner Faust, und ich wurde hoch in die Luft hinaufgeschwungen, hoch über seinen brüllenden Kopf (die linke Seite blind und blutig), und der Raum bog sich unter mir, und mein Kopf flog von Schulter zu Schulter, und ich versuchte die Armbrust nach unten zu richten – ein Bolzen zerbrach tief unten auf dem Steinboden neben seinem Huf. Ein zweiter steckte dicht neben dem Bolzen, den Lo Hawk ihm in die Flanke geschossen hatte. Ich wartete darauf, daß eine Steinwand neben mir aufwachsen und meinen Kopf zu Brei machen würde, und schob zitternd den letzten Pfeil ins Schloß.
    Seine Wange war blutüberströmt. Der letzte Schuß – und plötzlich noch mehr Blut. Der Bolzen traf und verschwand völlig in dem blinden Brunnen von Knochen und Lymphe. Ich sah, wie das zweite Auge sich trübte, als habe jemand Kalkstaub darübergeblasen.
    Er ließ mich fallen.
    Warf mich nicht, ließ mich nur fallen. Ich packte die Zotteln an seinem Handgelenk. Sie glitten mir durch die Hände, ich rutschte über seinen Unterarm in die Armbeuge.
    Dann fiel

Weitere Kostenlose Bücher