Einstein, Quantenspuk und die Weltformel (German Edition)

Quantenphysik in einer einzigen Theorie vereint werden kann. Tatsächlich sind sich die beiden Theorien ziemlich fremd. So erklärt die Relativitätstheorie die Gravitation mit einer sanft gekrümmten, konsistenten Raumzeit, währenddessen in der Quantenmechanik wildes und chaotisches Treiben herrscht. Desto genauer man hinschaut, desto unschärfer und verworrener wird der Quantenschaum. Wie kann die ruhige, elegante Relativitätstheorie mit dem wilden Quantenspuk in Harmonie gebracht werden? Und warum sind die Physiker überhaupt so erpicht darauf, die Theorien in eine übergeordnete Erklärung zu wursten?
    Widmen wir uns zuerst der letzten Frage, der grundlegenden Motivation, die Physiker aus aller Welt dazu bewegt, ihr Leben der Entwicklung einer Theorie zu widmen, ohne sicher sein zu können, jemals fündig zu werden. Die Physiker verfügen mit dem Standardmodell über eine Theorie, mit der sie die meisten Vorgänge in der Quantenwelt ziemlich genau berechnen können. Im Laufe der Jahrzehnte ist es ihnen sogar gelungen, drei der vier Grundkräfte der Natur (die schwache, starke und elektromagnetische Kraft) mit der speziellen Relativitätstheorie zu verknüpfen. Vermutlich vereinen sich diese Kräfte bei sehr hohen Energien zu einer einzigen Superkraft und stehen damit objektiv betrachtet auf einem gemeinsamen naturwissenschaftlichen Fundament. Trotz aller Bemühungen ist es bisher aber nicht gelungen, die Gravitation ins Standardmodell zu integrieren, oder anders ausgedrückt: Die Gravitation zu quantisieren, also eine kleinste „Menge“ Gravitation zu finden. Die Wissenschaftler vermuten zwar das Graviton als hypothetisches, masseloses Teilchen, das die Schwerkraft überträgt, konnten es bisher aber nicht nachweisen. Das Graviton wäre demnach das Übertragungsteilchen der Gravitation, wie es das Photon von Licht respektive elektromagnetischen Wellen ist. Aber nicht nur die Quantisierung der Gravitation stellt ein ungelöstes Problem dar. Im gegenwärtigen Standardmodell befinden sich achtzehn Parameter, deren Werte in Experimenten bestimmt worden sind und nicht aus der Theorie folgen. Für diese achtzehn Naturkonstanten haben wir bis heute keine Erklärung gefunden. Wir kennen zwar deren experimentelle Werte, wie beispielsweise die Geschwindigkeit des Lichts oder die Gravitationskonstante, können aber nicht erklären, weshalb sie genau diesen und nicht irgendeinen beliebigen anderen Wert annehmen. Daraus folgt, dass es eine höhere Theorie geben muss, die zumindest einige der Naturkonstanten auf ein tieferes Prinzip zurückführt und damit die Frage nach dem Warum beantwortet. Diese Theorie zu entdecken und damit einige der grundlegendsten Fragezeichen der heutigen Physik zu lösen, ist der Ansporn und die Motivation vieler Forscher, sich mit WeltformelTheorien zu beschäftigen.
    Die Geschichte der Wissenschaft lehrt uns, dass oft ein neues Kapitel der Physik geschrieben wird, wenn die Menschen glauben, die letzten Geheimnisse der Natur entschlüsselt zu haben. Tatsächlich sind es eigentlich nur wenige Fragen, die keine Antwort im gegenwärtigen Standardmodell finden. Aber diese Fragen sind dermassen fundamental, dass ihre Antworten nur in einer Theorie jenseits des Standardmodells zu vermuten sind. Einer Theorie, die die moderne Physik als Grenzfall enthält. Etwa so, wie die Newton Mechanik als Grenzfall für kleine Geschwindigkeiten in der modernen Physik aufgegangen ist, wird die moderne Physik möglicherweise dereinst in der Weltformel aufgehen.
    Doch was ist diese Weltformel? Wie sieht die Theorie aus, die über den Säulen der modernen Physik steht? Und was erzählt uns die Weltformel über die Beschaffenheit der Welt, der Materie, der Energie und der Kräfte?
Die so genannte Weltformel wird in Fachkreisen oft auch als der Versuch einer Quantengravitation oder vereinheitlichenden Theorie bezeichnet. In den letzten zwei Jahrzehnten haben sich zwei vielversprechende Weltformel-Kandidaten aus den Forschungsansätzen herauskristallisiert. Einerseits die Stringtheorie, die vibrierende Fäden als Grundbausteine der Elementarteilchen und ein Universum mit mindestens zehn Dimensionen postuliert. Andererseits die Loop-Quantengravitation, die den Raum, die Zeit und das gesamte Universum als ein riesiges Netz kleiner Quantums betrachtet. Wir konzentrieren uns im Folgenden auf die Stringtheorie.
    Bevor wir uns aber in die Tiefen der Stringtheorie stürzen, wollen wir zu allererst die Frage beantworten, was die