Einstein, Quantenspuk und die Weltformel (German Edition)
Kaluza und Klein vermuteten nun, dass die fünfte Dimension wie ein extrem kleines Schnurbündel aufgewickelt ist. So klein, dass sie für uns unsichtbar bleibt. Dieser Umstand lässt sich mit einem Beispiel verdeutlichen: Wenn Sie einen Gartenschlauch in der Hand halten, nehmen sie diesen in drei Dimensionen wahr. Der Schlauch hat für Sie eine Breite, eine Länge und eine Höhe. Aus grosser Distanz erscheint Ihnen der Schlauch jedoch nur noch als eine eindimensionale Linie. Dieselbe optische Täuschung beobachten Sie in der Nacht, wenn Sie die Sterne am Himmel betrachten. Die Sterne erscheinen Ihnen als viele kleine, leuchtende Punkte. Würden Sie zu einem dieser Sterne fliegen, würden Sie erkennen, dass es sich um riesige Himmelskörper handelt. Eine aufgewickelte Dimension ist für uns unsichtbar, weil sie in der Grössenordnung der Planck-Länge kompaktifiziert ist. Die Planck-Länge ist die kleinste Längeneinheit, für die unsere Naturgesetze gerade noch gelten. Alles unterhalb dieser Längeneinheit würde augenblicklich zu einem Schwarzen Loch kollabieren. Wir haben nicht annähernd die technischen Voraussetzungen, um eine solche Dimension direkt beobachten zu können. Nicht einmal mit den modernsten Teilchenbeschleunigern. Es ist aber dennoch ein faszinierender Gedanke, dass unsere Welt im Innern ganz anders tickt, als wir es täglich erleben. Damit verbunden sind nämlich nicht nur naturwissenschaftliche, sondern auch philosophische Fragen. Wenn Sie eine Standuhr betrachten und den Zeigern folgen, werden Sie sicherlich zustimmen, dass der kleine Zeiger die Minuten und der grosse Zeiger die Stunden anzeigt. Also das, was wir als Zeit kennen. Sie wissen aus Ihrer eigenen Erfahrung, dass eine Uhr die Zeit anzeigt. Was aber, wenn es nur ein riesiger Zufall ist, dass die Uhr die Zeit anzeigt, in Wahrheit aber einem ganz anderen Zweck dient? Wenn die Welt aus zahlreichen Dimensionen besteht, die wir nicht kennen, können unsere Erfahrungen aus dem Alltag dann überhaupt etwas über die Beschaffenheit der Welt aussagen? Im Alltag erfahren wir die Welt als konsistent. Die Zeit vergeht kontinuierlich und unaufhaltsam. Wenn Sie Ihren Aktenkoffer fallen lassen, fällt er zu Boden. Auch wenn Sie ihn tausend Mal fallen lassen, er wird immer noch zu Boden fallen. Im Mikrokosmos aber erleben wir eine ganz andere „unruhige“ Welt. Seit die Quantenmechanik ihren Einstand gefeiert hat, wissen wir, dass Wahrscheinlichkeiten, Zufälligkeiten und unvorhersehbare Ereignisse diesen Teil der Welt prägen. Wir haben einerseits unsere Alltagswelt, die wir kennen, und andererseits eine wilde und zufällige Mikrokosmos-Welt, aus der der Kosmos und das Universum aufgebaut sind. Was also ist die Wirklichkeit? Oder anders gefragt: Was wäre, wenn die wilde Welt der Quanten unser Alltag wäre? Die Stringtheorie und alle Theorien mit dem Anspruch, eine vereinheitlichende Formel („Weltformel“) zu sein, beschäftigen sich genau mit diesen Fragen. In der Stringtheorie geht es grundsätzlich einmal darum, zu erklären, weshalb sich die Quantenphysik und die Relativitätstheorie derart unterscheiden. Und wie es möglich ist, dass wir die Welt aus unserer Alltagserfahrung als konsistent kennen, obwohl die Bausteine derselben Welt alles andere als konsistent sind. Die Kaluza-Klein-Theorie konnte dieses Problem nicht lösen, da sie sich nicht mit den Quantentheorien vereinen liess.
4.2 Die Stringtheorie
In einem der ersten Kapitel dieses Buchs haben wir erfahren, dass Materie aus sehr vielen kleinen Teilchen besteht. Ihr Küchentisch ist nicht nur Platte und Füsse, sondern eine Ansammlung von Milliarden und Milliarden von kleinsten Teilchen. Bereits im alten Griechenland vermutete der Philosoph Demokrit, dass alle Materie aus Atomen besteht – aus kleinsten, unzertrennbaren Elementen. Erst zu Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts entdeckte die Physik, dass Atome wiederum aus Elektronen, Protonen und Neutronen bestehen und damit nicht ganz so elementar sind, wie zunächst angenommen. Hinzu kam die Entdeckung der Teilchen der Höhenstrahlung (Myonen) und des Neutrinos. Somit kannte man fünf Elementarteilchen. Im Laufe der Jahre entbrannte eine heftige Debatte über die Frage, welche Teilchen denn nun eigentlich als Elementarteilchen zu bezeichnen sind. Denn es wurden immer mehr Teilchen entdeckt. Daraus erwuchs die Vermutung, dass es noch kleinere Teilchen geben müsste, die dann wirklich fundamental wären. Für die Physik war es ein
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