Einstein, Quantenspuk und die Weltformel (German Edition)
liefern.
Der Gedanke eines Universums mit mehr als vier Dimensionen ist keinesfalls so abwegig, wie er dem gesunden Menschenverstand auf den ersten Blick erscheinen mag. Kurz nach der Veröffentlichung der allgemeinen Relativitätstheorie gelang es Theodor Kaluza nämlich, zwei fundamentale Naturkräfte zu vereinen. Die Gravitation und den Elektromagnetismus. Dazu erweiterte er die Raumzeit um eine fünfte Dimension und schon schien die Rechnung aufzugehen. Woran Physiker die letzten achtzig Jahre gescheitert sind, war Kaluza bereits kurz nach dem Ende des ersten Weltkriegs gelungen. Albert Einstein verbrachte den Rest seines Lebens damit, auf Basis der Forschung von Kaluza nach einer vereinheitlichenden Theorie zu suchen. Er sollte damit aber scheitern wie alle anderen Wissenschaftler. Denn in den 30er Jahren wurden mit der schwachen und starken Kraft zwei weitere Naturkräfte entdeckt, wodurch sich die Sachlage verkomplizierte. Die Kaluza-KleinTheorie erweitert unser Universum auf fünf Dimensionen (Vier Raum- und eine Zeitdimension). Dadurch gelang es ihm, die allgemeine Relativitätstheorie und die Maxwellschen Gleichungen des Elektromagnetismus als Spezialfälle zu berücksichtigen. Das Korrespondenzprinzip, wonach eine höhere Theorie stets alle untergeordneten, experimentell bestätigten Theorien abdecken muss, war demnach erfüllt. Oskar Klein führte später das Konzept der Kompaktifizierung ein, wonach zusätzliche Dimensionen aufgerollt und dadurch unsichtbar sind. Die fünfte Dimension wäre demnach eine aufgerollte Raumdimension, die fürs menschliche Auge unsichtbar ist. Man könnte sich diese Dimension auch als rein technische Dimension vorstellen, die dazu dient, den Elektromagnetismus korrekt auf die Raumzeit anzuwenden. Oder man veranschaulicht sich den Umstand anhand einer Telefonleitung, die zwischen zwei Masten hängt. Aus der Ferne sieht die Leitung wie eine eindimensionale Linie aus, aus der Nähe wie eine zweidimensionale Oberfläche und erst bei geeigneter Perspektive erscheint die Leitung wirklich dreidimensional. Ähnlich wie die Gravitation aus der Geometrie der Raumzeit bestimmt wird, könnten die Gesetzmässigkeiten des Elektromagnetismus auf die fünfte Dimension zurückzuführen sein. Auch der Kaluza-Klein-Theorie ist es bisher allerdings nicht gelungen, die Allgemeine Relativitätstheorie mit der Quantenphysik zu vereinen. Denn sie hat einen entscheidenden Haken: Sie lässt sich nicht quantisieren. Der Grund, weshalb die Kaluza-KleinTheorie aber von äusserst wegweisender Bedeutung war, liegt im prinzipiellen Versuch, die Naturkräfte durch eine Erweiterung des Universums um zusätzliche Dimensionen zu vereinen. In diesem Vorgehen scheint der momentan erfolgversprechendste Weg zur Weltformel verborgen. Tatsächlich deutet in der Stringtheorie alles darauf hin, dass aufgewickelte Dimensionen, wie sie Klein mit der fünften Dimension vermutete, der Schlüssel zur Entzifferung des zweitgrössten kosmischen Rätsels sein könnten. Kaluza und Klein könnten dereinst in die Geschichte eingehen als Wegbereiter der bedeutsamsten physikalischen Theorie des 21. Jahrhunderts. Möglicherweise gelingt es eines Tages einem neuen Einstein mit der richtigen Idee, das Vereinigungsproblem an der Wurzel zu packen und diese harte Nuss zu knacken. So, wie Einstein seinerzeit durch zahlreiche Vorarbeiten namhafter Wissenschaftler wie Lorentz, Poincaré, Riemann oder Maxwell schliesslich zu den richtigen Schlussfolgerungen und Interpretationen gelangt ist. Auch Einstein schüttelte die Revolution des Weltbilds nämlich nicht einfach aus dem Ärmel. Es war die unstillbare, fast krankhafte Faszination, die ihn trieb. Er verinnerlichte die Erkenntnisse der vorgängig sehr fruchtbaren Jahre und versuchte, diese mit den ungelösten Problemen der Gegenwart zu kombinieren. In jahrelanger, fast krampfhafter Bemühung erdachte er bei seiner Arbeit im Patentamt in Bern eine umfassende Theorie zur Lösung all der Widersprüchlichkeiten, die sich aus dem Michelson-Morley-Experiment und dem damit verbundenen Wegfall des Äthers ergeben hatten.
Zusammenfassend könnte man sagen, die Relativitätstheorie sei aus der Genialität und Fähigkeit Einsteins entstanden, Vorarbeiten mit eigenen Ideen zu einem neuen Gesamtbild zu kombinieren und die richtigen Schlüsse daraus zu ziehen. Die Interpretation ist nämlich nur allzu oft der springende Punkt, der anderen Physikern zum Verhängnis geworden ist 22 .
2.2.4 Die Grenzen
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